Die Malentwicklung der Kinder
Wozu sollen Kinder überhaupt malen?
Warum ist das denn überhaupt wichtig, manche Kinder malen halt einfach nicht gern, wird sich jetzt der Eine oder Andere denken.
Und natürlich muss man Kinder nicht in die große Talentfördermaschinerie spannen und kleine Künstler aus ihnen machen.
Gerade im Vorschulalter ist das Malen für Kinder aber eine wichtige Ausdrucksform. Schreiben können sie in der Regel noch nicht, Sprache und Musik als Ausdrucksmittel sind flüchtig.
Immer wieder beobachte ich, dass besonders die Kindergartenkinder ein unglaubliches visuelles Erkennungsvermögen haben. Ob es nun die kleinen Jungs sind, die alle Automarken an den Markenzeichen erkennen und zuordnen können, oder kleine Mädchen an den Logos auf Tüten die Ladengeschäfte zuordnen – die Fähigkeit ist da.
Und das Bedürfnis, selbst Bilder zu gestalten, ist bei den allermeisten Kindern grundsätzlich auch da – wenn man sie frei malen lässt. Sicherlich in unterschiedlicher Ausprägung, so wie in allen anderen Bereichen auch. Über den Ausdruck und das Gestalten hinaus, dient das Malen bei Kindern aber auch dem Ausdruck des Körperempfindens und der Wahrnehmung.
Wie läuft die Entwicklung ab?
Dabei durchlaufen alle Kinder weltweit beim Malen die gleiche Entwicklung. Zuerst entwickeln sich die Urformen. Nachdem die Urformen alle durchlaufen sind, geht’s weiter in Richtung der figurativen Darstellung, um schließlich zur räumlichen Darstellung zu gelangen.
Der Mensch wird auf den Kinderbildern wichtig und hält als Kopffüßler Einzug, bevor er sich zum immer stärker differenzierten Abbild entwickelt.
Sind bestimmte Abschnitte der Malentwicklung bis zu markanten Zeitpunkten noch nicht erfolgt, sollte genauer geschaut werden. Ist die gesamte Entwicklung des betroffenen Kindes altersgemäß? Ganz bewusst mache ich bei meiner Übersicht über die Elemente der Kinderbilder (siehe hier und hier) keine Altersangaben, denn das Gesamtbild ist entscheidend.
Auf jeden Fall sollte das Malen weit übers Kindergartenalter hinaus gefördert werden. Es dient unter anderem dazu, sich ein Bild von der Welt zu machen, sie zu ordnen sowie das abzubilden und zu verinnerlichen, was das Kind schon weiß.
Darf die frühkindliche Malentwicklung ungehindert stattfinden, fördert sie die Gehirnentwicklung und die Bildung neuer Synapsen. Der Übergang vom Malen zum (perspektivischen) Zeichnen erfolgt fließend. Erfreulicherweise lässt sich die Entwicklung auch später noch nachholen. Erfahrungsgemäß fangen Erwachsene mit der Raumdarstellung im begleiteten Malen dort wieder an, wo sie als Kind aufgehört haben. Somit bietet freies (oder begleitetes) Malen gute Startbedingungen für das Fernstudium Architektur oder die Ausbildung zum Konstrukteur. In solchen Tätigkeitsfeldern sind besonders Fähigkeiten wie räumliches Vorstellungsvermögen oder Kreativität gefragt – die Kindesbeschäftigung mit Stiften und Papier kann sich also durchaus auszahlen.
Gibt es fundierte Anhaltspunkte dafür, dass ein Kind in der Entwicklung weit hinter seiner Altersgruppe hinterher ist, spreche ich dies an. Ich empfehle die Abklärung beim Kinderarzt (auch bei den U-Untersuchungen und der Einschulungsuntersuchung wird deshalb gemalt). Warum das Malen so wichtig ist und welche Anhaltspunkte es über den gesamten Entwicklungsstand geben kann, habe ich hier dargelegt.
Das freie Malen dient zudem auch der Integration der Hirnhälften, d.h. freies Malen ist eine aktive Förderung. Kinder, die in Kita oder Schule nicht gern malen, können unter anderen Rahmenbedingungen Freude daran finden. Dadurch, dass ich keine Themen vorgebe, kann das Kind das aufs Papier bringen, was es gerade beschäftigt. Ob das nun der große Bagger ist oder der Streit mit der Freundin, hier haben die kleinen und großen Sorgen und Freuden ihren Platz. Das geht weit über die Kleinkindzeit hinaus.
Bücher zum Thema:
Renate Gier hat ein sehr empfehlenswertes Buch geschrieben: „Die Bildsprache der ersten Jahre verstehen“ (bei Amazon ansehen). Dazu habe ich eine ausführliche Besprechung geschrieben, die hier nachzulesen ist.
Bettina Egger schildert in „Bilder verstehen“ ausführlich alle Stufen der kindlichen Malentwicklung. Sie stellt den Urformen dabei auch Werke der zeitgenössischen Kunst gegenüber, in denen Urformen künstlerisch verarbeitet werden.
Bilder verstehen: Wahrnehmung und Entwicklung der bildnerischen Sprache (bei Amazon ansehen)
Helen Bachmann beleuchtet die Malentwicklung der Kinder besonders im Hinblick auf die frühkindliche Individuation und erklärt anschaulich, wie die Malentwicklung zeitversetzt die vorhergehende kindliche Entwicklung widerspiegelt.
Malen als Lebensspur: Die Entwicklung kreativer bildlicher Darstellung. Ein Vergleich mit den frühkindlichen Loslösungs- und Individuationsprozessen (bei Amazon ansehen)
In der „Spur zum Horizont“ widmet sich Bachmann den größeren Kindern. Die Zeit von der Latenz über die Pubertät bis hin zum jungen Erwachsenenalter steht in diesem Buch im Mittelpunkt.
Die Spur zum Horizont: Malen als Selbstausdruck von der Latenz bis zur Adoleszenz (bei Amazon ansehen)
2 Antworten auf „malentwicklung der kinder“