Fördert das Malen von Bildern die visuelle Wahrnehmung?

Wieder eine Google Suchanfrage – eigentlich dachte ich, die Antwort darauf, ob das Malen die visuelle Wahrnehmung fördert, wäre ganz einfach und logisch. Nämlich JA, JA und nochmal JA.

Wer malt, der kommt immer wieder an den Punkt, an dem er feststellt, dass er eigentlich gar nicht genau weiß, wie etwas aussieht. Oder er malt es und bemerkt irgendwie noch, dass das falsch aussieht, kann aber gar nicht so genau festmachen, warum.

Genau hinschauen

Wie ist das zum Beispiel mit dem Meer?

Wenn da Wellen sind, das Meer in Bewegung ist, wie sieht das dann genau im Gesamteindruck aus? Vielleicht weiß ich noch in etwa, wie die bewegten Wellen aussehen und kann es sogar noch auf Papier bringen. Trotzdem wirkt es irgendwie falsch, viel zu wild und trotzdem viel zu flach. Denn dass zum Horizont hin das Meer ruhiger aussieht, bis es am Horizont schließlich eine ganz gerade Linie bildet, das ist in meinem Kopf nicht unbedingt drin. Also nochmal ganz genau hinschauen. Zur Not auf einem Foto oder in einem Buch. Siehst du, dass die Wellen vorn groß und wild sind? Die dahinter sind schon flacher und in Richtung Horizont sind gar keine einzelnen Wellen mehr auszumachen.

Wie sieht ein bewegtes Meer aus?

Und – jede Wette – wenn Du das nächste Mal das Meer siehst (oder ein Foto davon), dann wirst Du sehr genau darauf achten, wie das nun eigentlich genau aussieht mit den Wellen und dem Horizont.

Da Dir solche Situationen beim Malen häufig unterkommen, wird auf Dauer die visuelle Wahrnehmung gefördert, Du lernst in der Natur genau hinzuschauen, nicht nur am Meer.

Beim begleiteten Malen wird ohne Vorlage gemalt. (In Ausnahmefällen kann in Büchern nachgeschaut werden.) So wird als Nebeneffekt ganz automatisch die Wahrnehmung geschult. Auch Fotografieren kann die Wahrnehmung ganz nebenbei schulen. Du wirst staunen, was du auf eigenen Fotos noch alles entdecken kannst, wenn du sie später nochmal genau betrachtest. Wetten, dass dir ganz viel beim Auslösen gar nicht aufgefallen ist?

Mit Kindern Herbst malen

herbstbilder, kinder malen herbst
ganz eindeutig Herbst!

Immer wieder landen über die Suchmaschinen solche Anfragen hier auf der Seite. Ob nun mit Kindern Feuer, Herbst, Tiere oder was auch immer gemalt werden soll, die Unsicherheit bei Erwachsenen ist anscheinend doch recht groß. Vielleicht hemmt auch der Gedanke, man müsse den Kindern genaue Vorgaben machen. Und das womöglich zu irgendwas, was man selbst gar nicht wirklich kann.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Wenn schon ein Thema vorgegeben wird (aus welchen Gründen auch immer), dann lasst die Kinder das doch so malen, wie sie es wollen und können. Die Ergebnisse sind oftmals ganz verblüffend und immer wieder begeisternd. Kinder finden ihren Weg, das zum Ausdruck zu bringen, was sie fasziniert und beschäftigt. Hier kann es mit vorgegebenen Themen immer mal zu Schwierigkeiten kommen.

Die Herbstbilder sind mitten im Herbst entstanden. Vor dem Malen sind wir ausgiebig spazieren gegangen, haben im Park wirbelnde Blätter beobachtet. Die Laubhaufen auf dem Boden laden zum Wühlen ein. Aus stacheligen Hüllen spitzeln glänzende Kastanien hervor oder liegen zwischen Blättern auf dem Boden. Nach diesen ganzen sinnlichen Erfahrungen ging es dann an die Farben. Die kamen aus kleinen Tuben* und durften mit weichen Pinseln* auf Holzplatten gemalt werden. Unter diesen ganz frischen und lebendigen Eindrücken.

Auf den beiden Bildern oben ist es ganz deutlich zu erkennen, die jungen Maler hatten einen Altersunterschied von fast zwei Jahren. Entsprechend unterschiedlich ist auch die ihnen zur Verfügung stehende Formensprache. Aber im rechten Bild (des jüngeren Kindes) ist trotzdem ganz klar zu erkennen, wie der Herbstwind das Laub aufwirbelt und herumbläst. Oder etwa nicht?

Wenn wir Erwachsene es dabei schaffen, eigene ästhetische Maßstäbe beiseite zu legen und uns auf die kindliche Erlebnis- und Ausdruckswelt einlassen können, dann ist das eine echte Bereicherung der eigenen Sichtweise.

Und für die betroffenen Kinder eine hervorragende Förder- und Entwicklungsmöglichkeit. 🙂

Kreative Kreativgedanken – Schöpferische Kraft

Schöpferische Kraft bringt einen weiteren schönen (Kreativ-)Gedanken ins Spiel – ‚Kraft‘, das ist etwas, das man trainieren kann. So wie Muskeln lassen sich auch die kreativen Fähigkeiten steigern. Und zwar durch Übung, wie bei den Muskeln auch. Wer sich immer wieder spielerisch kreativen Herausforderungen stellt, der wird auch dann, wenn der ‚Ernstfall‘ es erfordert, eine neue, vielleicht tatsächlich nie zuvor dagewesene Lösung zu finden. Oder eine, die er zumindest noch nie zuvor gesehen hat.

Kinder können uns da Lehrmeister sein. Bauklötze können zu Schnitzeln, Pommes oder Salat werden, wenn in der Kinderküche welche gebraucht werden. Bei Erwachsenen geraten die schöpferischen Kräfte gerne aus der Übung – vielleicht nicht zuletzt, weil uns Werbung und Medien gerne suggerieren, dass für alle Eventualitäten Speziallösungen gebraucht werden. Oder weil der (Berufs-)Alltag so sehr mit vorgegebenen Lösungswegen gepflastert ist, dass das Bewusstsein dafür, dass es auch ganz anders gehen kann, verloren geht.

Der Weg
Wie geht dieser Weg weiter?

So wird auch im vermeintlich kreativen Bereich manchmal auf vorgegebene Lösungswege, in Form von Anleitungen oder Kursen, zurückgegriffen. Malen nach Zahlen ist hier sicherlich das extremste Beispiel, Kurse in denen ganz stark an Vorlagen orientiert gearbeitet wird stehen dem in nicht viel nach.

Bis zu einem gewissen Maß können Kurse (oder Tutorials) aber durchaus notwendig oder zumindest sinnvoll sein. Dann nämlich, wenn sie elementare Techniken vermitteln, die Grundlage für das weitere Gestalten sind. Wer beispielsweise noch nie im Leben eine Feile, eine Säge oder Schleifpapier in der Hand hatte, wird ganz allein mit Werkzeug und Speckstein vielleicht nicht ganz glücklich. Wer noch niemals eine Nähmaschine oder ein Schnittmuster aus der Nähe gesehen hat, wird allein mit schöpferischer Kraft nicht sehr weit kommen. Auch beim Zeichnen oder Malen kann es sinnvoll sein, sich Grundlagen in Kursen anzueignen. Vor allem dann, wenn diese sich auf die Vermittlung von Techniken beziehen, schwierige Themen wie beispielsweise das Konstruieren von Figuren beinhalten und/oder auch einen Rahmen bieten, der das ‚dranbleiben‘ am eigenen Werk erleichtert. Als Training für die schöpferische Kraft – nicht aber in Form eines streng vorgegebenen Trainingsparcours, der auf nur einem Weg zu einem einzigen Ziel führt. Gerade die Kreativität lebt von der Vielfalt und (auch) der Inspiration. Je vielseitiger diese genährt wird, desto stärker kann sich die individuelle Kreativität ausprägen. Wer sein Lebensziel darin sieht, so zu malen wie sein großes Vorbild, wird im besten Fall zu einem guten Imitator. Wer aber seinen eigenen Stil finden will, der braucht Wissen und Inspiration, aber auch Eigenständigkeit und eigenen Antrieb.

Für mich persönlich war schon immer ein (unbewusstes) Kriterium, ob ich mich in einem Kurs wohlgefühlt habe – ob die Dozenten mir ihren Weg aufzwingen wollten, mir zeigen, wie ‚es richtig geht‘ oder sie mich an ihrem Können teilhaben ließen, aber auch meinen Weg respektieren konnten. Einige waren mir eine Zeitlang liebgewordene Wegbegleiter beim Aufbau meiner schöpferischen Kraft; solche, die mich lehrten und motivierten, aufbauten und stärkten. Dafür an dieser Stelle einfach mal ein dickes, fettes

Danke!!!

 

Kleine kreative Spielerei

Ein bisschen Naturmaterial, ein paar kleine Handgriffe…blume aus samenkapseln

ornament

schnecke…manchmal braucht es gar nicht viel.

Sowas mit Kindern zu machen ist total schön, lasst euch von ihren Ideen überraschen! Vielleicht findet sich im Garten oder irgendwo im Haus auch ein Eckchen für immer neue Arrangements aus Fundstücken.

Als Mutter mit Basteln und Malen nix am Hut haben?

bastelkiste

Jede Mutter will ihr Kind möglichst gut fördern

Angebote dafür gibt es jede Menge, Musikschule, Kinderturnen, Kinderenglisch und natürlich (da nehme ich mich ja nicht aus) auch Malen/Kreativangebote. Gerade letzteres kann man ja eigentlich auch Zuhause anbieten – eigentlich. Wer selbst gern in der Richtung aktiv ist, wird wahrscheinlich wenig Schwierigkeiten haben, auch mit Kindern zusammen zu werkeln. Und wenn nicht?

Anscheinend gibt es eine unausgesprochene Forderung, dass ALLE MÜTTER mit ihren Kindern malen und basteln müssen… ganz ehrlich? Riesenquatsch!!

Ich glaube, jede Mutter hat das Recht darauf, authentisch zu sein. Und jede Mutter hat das Recht darauf, irgendwas nicht zu mögen. Punkt!

Keine Mutter muss sich um der lieben Kinder Willen verbiegen. Gewisse Zugeständnisse wird Mama wahrscheinlich ein Stück weit eingehen, um ihrem Kind einen Herzenswunsch zu erfüllen. Meine Tochter beispielsweise tanzt leidenschaftlich gern. Bei den Fasnachtern *schluck*… für mich so ziemlich die ‚Höchststrafe‘. Trotzdem hab ich sie jahrelang zu Auftritten gefahren, beim Umziehen und Schminken geholfen und auch Kostüme genäht. Den Support geleistet, der notwendig war, damit sie diesem Hobby nachgehen konnte. Aber auch nicht mehr. Ich hab mich nicht selbst kostümiert, bin nicht länger als nötig auf den Veranstaltungen geblieben und bin auch sonst nicht närrisch aktiv geworden. Wir konnten mit diesem Kompromiss gut leben. Auch wenn andere Mitglieder der Kindergarde aus ausgesprochenen Fasnachtsfamilien kamen, in denen beide Elternteile aktiv waren (und überhaupt nicht verstehen konnten, dass ich daran keinen Spaß habe), ist der Funke nie auf mich übergesprungen. Muss auch nicht.

Genauso wenig muss er das beim Malen oder Basteln. Wer sich dafür selbst nicht begeistern kann, sollte sich nicht dazu zwingen. Denn erstens merken Kinder es, wenn ein Elternteil nur als Pflichtübung Papier und Stifte auspackt, dabei möglicherweise noch eigene böse Vorbehalte mit sich rumträgt. „Meine Bilder in der Schule waren immer scheußlich!“, „Ich kann das sowieso nicht!“, „Ich hab noch nie gerne gemalt!“. Sowas überträgt sich dann unter Umständen sogar noch auf die Kinder oder äußert sich in unpassenden Äußerungen wie „macht ja nix, dass dein Haus so schief ist, ich konnte auch nicht malen!“.

Mit so einer Situation kann man unterschiedlich umgehen:

  • Malen ist doof, ich hab das schon nicht gern gemacht, also musst (darfst) du das auch nicht machen
  • Ich fand Malen immer doof, aber vielleicht macht es ja mit dir zusammen doch Spaß
  • Ich finde Malen doof, aber wenn du es gerne machen möchtest, dann darfst du es gern tun.

Die letzten beiden Varianten sind natürlich die konstruktivsten, denn sie stellen dem Kind frei, gern zu malen. Entweder allein (bzw. mit Freunden) und einer Bastelkiste mit eigenem Material oder eben auch in einem begleiteten Angebot mit ‚Gleichgesinnten‘ (was ganz sicher mehr Spaß macht). Toll wäre natürlich, wenn die uninteressierte Mama sich trotzdem ein bisschen für die Werke des eigenen Kindes interessieren und mit ihm darüber sprechen kann. Und wenn auch Zuhause ein Grundstock an Material zur freien Verfügung steht, damit auch mal spontane Ideen umgesetzt werden können oder einfach eine Weile Beschäftigung mit Papier und Farbe allein möglich ist, umso besser.

bastelkiste
Keiner ‚muss‘ basteln!

Aber – alles entspannt, ohne Verrenkungen und Verbiegen! 🙂

Kind malt nur Häuser

haus

Was tun, wenn ein Kind immer nur Häuser malt?

Uff – ja, so ein Kind hatte ich auch. Wochen-, monate- wenn nicht sogar jahrelang Häuser, Häuser, Häuser… kleine, große, klitzekleine und riesiggroße. Von außen, von innen, mit Fenstern, ohne Fenster. Mit Türen, ohne Türen. Mit Blumenkästen, Fensterläden, Einwohnern, Tieren im Garten. Mit Schornstein (schief und gerade). Blumen und Bäume daneben (große und kleine), Wolken und die unvermeidliche Sonne am blauen Himmel darüber.

haeuser1
Haus Nr. 1234

In unendlich vielen Varianten – wenn man denn genau hinschaut. Und dabei auf die folgenden Punkte achtet:

  • Gibt es da über einen längeren Zeitraum eine Entwicklung in den Bildern?
  • Was verändert sich?
  • Wird die Darstellung detailreicher und differenzierter?
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Haus Nr. 9999

 

Auf dem zweiten Bild kann man in die Räume reinschauen und das Haus ist genaugenommen gar kein Haus, sondern eine Mühle. Vielleicht hat es sogar deshalb keinen Schornstein, denn wenn das Mühlrad genug Energie erzeugt, um auch die Heizung zu betreiben, dann braucht es ja gar keinen Schornstein, oder? Man kann vielleicht auch mal gezielt nachfragen. Nach den Geschichten zu diesen Häusern und ihren Bewohnern. Wer wohnt denn da? Wo steht denn das Haus? Kennst du dort jemanden? Wenn das Kind dann anfängt zu erzählen – zuhören!! Gegebenenfalls interessierte Fragen zu den Geschichten stellen. Echtes Interesse zeigen. Und bloß nicht loben

Die Häuserphase endet irgendwann

Irgendwann ist diese Phase vorbei. Dann kommen vielleicht die Pferde oder Blumen oder Dinos oder Autos. Oder auch mal jeden Tag was anderes.

Was auch immer es ist – keine Panik und bitte keine Küchentischpsychologie in der Art „das Haus symbolisiert den Vater und verrät alles über die Beziehung zu ihm“. Kein Kind hat gleich eine Entwicklungsstörung oder psychische Problem nur weil es ein bevorzugtes Malmotiv hat.

Kleine Künstler?

Es ist immer wieder zu sehen und lesen – „Workshop Kinder malen wie XY“!

Ganz sicher sind solche Angebote auch total gut gemeint. Sie versuchen, den Bildern der Kinder einen hohen Wert zuzuweisen, Kinder ernst zu nehmen, ihre Kreativität zu fördern.

Ich hab ein superschnelles rotes Auto gesehen!
Ich hab ein superschnelles rotes Auto gesehen!

Und trotzdem… mir wird immer etwas unbehaglich, wenn ich sowas sehe oder lese. Denn wird da nicht auch ein Anspruch aufgebaut? Druck erzeugt? Bilder, die in solchen Workshops entstehen, gehören selbstverständlich aufgehängt, bestaunt. Es wird eine Vorgabe gemacht, „malen wie Paul Klee oder Picasso oder Miro oder wer auch immer“.

Ist es nicht in sich widersprüchlich? Kinder als Künstler betrachten zu wollen und ihnen dann eine Vorgabe zu geben. Einen Maler, der sich als Erwachsener in seiner Malerei an Kinderbildern orientiert hat. Bei ihm war diese Ausdruckssprache das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses mit intellektuellem Hintergrund. Kinder sind Künstler darin, ihren eigenen Ausdruck zu finden, ganz ohne Vorgabe oder Vorbild.

Für mein Empfinden sollten Kinder so malen dürfen, wie es ihr eigener, aktueller Ausdruck ist – ganz ohne Vergleich, Themenvorgabe oder Anspruch. Malen als Weg, nicht als Ziel. Gerade jüngere Kinder malen Geschichten über das, was sie gerade bewegt. Das können Vulkane sein, die sie gerade faszinierend finden, gestorbene Haustiere oder ganz profan die Frage, wie denn nun Sommer- oder Winterreifen aussehen.

Was ist wichtig, wenn Kinder malen?

Malen (mit vernünftigen Materialien!) sollte so regelmäßig und selbstverständlich sein wie beispielsweise die Turnstunde. Malen sollte ein normaler Bestandteil einer ganzheitlichen Entwicklung sein. Dafür braucht es auch keine weiteren Anreize wie beispielsweise Musik oder Geschichten. Gerade das Malen bietet die Gelegenheit, sich auf Stille einzulassen, zur Ruhe zu kommen – Hektik haben Kinder im Alltag oft ohnehin schon zu viel.

Natürlich spricht nichts dagegen, mit interessierten Kindern, die diese ‚Grundversorgung‘ haben, auch mal mit besonderen Materialien zu malen oder gemeinsam ein Museum zu besuchen und anschließend zu malen (aber eben nicht ‚wie‘ die Künstler in der Ausstellung!). Und mit ihnen über ihre Bilder zu sprechen, ohne zu fragen „Was hast du denn da gemalt?“.

Malen in der Grundschule – der Tragödie zweiter Teil

Kritzelknäuel
Kritzelknäuel

Das Thema wird mich wohl immer wieder beschäftigen… Malen in der Grundschule.

Gab es bereits in der Grundschulzeit meiner Kinder Mathe-Aufgabenblätter, bei denen anhand eines Ausmalbildchens die Richtigkeit der errechneten Ergebnisse überprüft werden sollte, so hat sich diese Tendenz mittlerweile wohl noch verstärkt. Ging bei meinen Kindern das Ausrechnen flott voran, so zog sich das Ausmalen oft ewig – nicht, weil sie es nicht gekonnt hätten, sondern weil sie es ganz einfach langweilig fanden.

Ein willkürlicher Blick in aktuelle Bücher mit Unterrichtsideen für die erste Klasse lässt mich erstarren – „jeder malt ein Bild von sich selbst“ – „male zwei Beschäftigungen für den Vormittag und zwei für den Nachmittag“ – das klingt ja erstmal wirklich nett und kindgerecht. „So ein bisschen Malen zwischendurch, das entspannt schön“ mag da als Gedanke mit dahinterstehen und für manche Kinder auch durchaus zutreffen.

Als Fachfrau sträuben sich mir da allerdings die Haare angesichts der dahinterstehenden Arg- oder Gedankenlosigkeit. Gerade in der ersten Klasse befinden sich Kinder häufig noch am Anfang der figurativen Malentwicklung. Für diejenigen, die noch nicht oder gerade eben so an diesen Stand angekommen sind, ist der Frust vorprogrammiert. Wo die ‚Überflieger‘ sich selbst nicht nur mit Fingern und Fingernägeln, sondern sogar ‚den Dreck unter den Fingernägeln‘ malen, wirken die Kopffüßler der anderen ungelenk und unbeholfen. Illusorisch der Gedanke, dass diese Kinder das selbst nicht bemerken. Vor allem, wenn die Bilder dann – für alle gut sichtbar – auch noch an einer Lernwand aufgehängt werden. Nicht nur die besonders Sensiblen dürften sich vorgeführt und gedemütigt fühlen, auch wenn im Unterricht böse Kommentare unterbunden werden. Was in den Pausen auf dem Schulhof oder nachmittags gesprochen wird, steht nochmal auf einem anderen Blatt…

Wenn dann – im Zeichen von Inklusion und Integration – Kinder in dieser Klasse sind, die vielleicht leichte oder auch etwas stärkere Entwicklungsverzögerungen haben …. Au Backe!!

Die Lösung, diesen Kindern dann exklusive Sonderlösungen wie beispielsweise ausschneiden und aufkleben zuzugestehen, erscheint mir nicht als Königsweg.
Bettina Egger propagiert in diesem Buch das Malen als Lernhilfe, aber wer jetzt vorschnell ‚Na Siehste!‘ ruft, möge es bitte erstmal lesen. Denn das Malen hilft nur dann tatsächlich beim Lernen, wenn wir Lernen als ganzheitlichen Prozess sehen.

Wünschen würde ich mir, dass sich bei allen Beteiligten ein Bewusstsein für die Bedeutung des Malens entwickelt. Dass der ‚Malzwang‘ aus den Schulen draußen bleibt und Mathe Mathe und Deutsch Deutsch (als Unterrichtsfach) bleibt. Dass die Gleichmacherei um jeden Preis entfällt und mit unterschiedlichsten Lernmaterialien (als Angebot) der Lehrauftrag erfüllt wird…

… Utopie??? Vielleicht – aber die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt…