Er trinkt nur wenn…. er trinkt nur weil….

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Hilft nicht weiter!

Wie hoch muss der Leidensdruck der Angehörigen von Süchtigen sein, bis die Entschuldigungen aufhören?

Der Glaube an die Veränderungsmöglichkeiten von Menschen ist wichtig und grundsätzlich eigentlich positiv. Wenn ich nicht daran glauben würde, könnte ich meinen Beruf an den Nagel hängen.

Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass Veränderungen nur aus eigenem Antrieb und eigenem Leidensdruck stattfinden können. Einen anderen Menschen zu verändern ist unmöglich, wenn dieser das nicht selbst wirklich will. Ihn in seinem Unwillen aber zu unterstützen ist kontraproduktiv. Entschuldigungen, wie sie die Überschrift andeutet, lassen sich immer finden. Mal ist es der Stress im Beruf, mal der Private. Der Trinker wird von Freunden dazu verführt oder durch die Umstände dazu gezwungen. Er würde ja gern aufhören, wenn nur erst….

Es gibt keinen vernünftigen Grund Alkohol zu trinken, Pillen oder sonstige Drogen zu nehmen. Kein Problem der Welt wird dadurch gelöst, im Gegenteil: Beziehungen zerbrechen daran, der Führerschein ist (hoffentlich schnell genug) weg.

Und doch wird von Nahestehenden nach Verständnis gesucht, vermeintliche Gründe gefunden. Verantwortungsgefühl kann dabei eine Rolle spielen und vielleicht der (unbewusste) Gedanke, Schuld am Konsum zu sein. Die Leidensfähigkeit wird oft genug bis über alle Grenzen hinaus strapaziert. Damit wird aber auch Leidensdruck vom Süchtigen genommen. Wenn sein Verhalten gedeckt, womöglich sogar noch unterstützt wird, sinkt sein Leidensdruck, der ihn vielleicht noch zur Veränderung motivieren könnte.

Gründe für diese Co-Abhängigkeit gibt es unendlich viele, wahrscheinlich sogar noch mehr als für die Abhängigkeit.

Ein allererster Schritt aus der Co-Abhängigkeit heraus könnte sein, sich immer wieder vor Augen zu halten, dass  Alkohol-/Drogenmissbrauch kein Problem der Welt löst und deshalb auch nicht zu rechtfertigen ist. Durch kein „wenn“ und „weil“ – Basta 😉

Klar klingt das banal und ist nicht die Lösung. Aber ein allererster Schritt!

 

Bildquelle: WikiCommons

Freispruch für Mama!

Freispruch für Mama!

Ganz egal, was bei Kindern und Jugendlichen schiefläuft, immer gibt es kritische und vor allem selbstkritische Blicke auf die Eltern, speziell die Mütter.

Trennungskind? Na kein Wunder, wenn der kifft!
Berufstätige Mutter? Ganz klar, dass der Junior über Tische und Bänke geht!
Die Kleine ist total verschüchtert und kriegt den Mund nicht auf? Ja, wenn die auch so begluckt wird…

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Für jedes abweichende Verhalten eines Kindes, lässt sich mit Sicherheit auch der passende Erziehungsfehler finden.
Was hier in der überspitzten Darstellung vielleicht noch zum Schmunzeln verführt, wird schnell ganz bitter. Besonders, wenn es nicht mehr um ‚Lappalien‘ geht:

Wenn das Kind in die Drogenabhängigkeit abrutscht und – wie gerade kürzlich Amy Winehouse – womöglich gar daran stirbt, oder es im Drogenrausch großen Schaden anrichtet, dann setzt bei Eltern vermutlich die Gedankenspirale „was haben wir nur falsch gemacht?“ ein.
Im Umfeld sind die entsprechenden Erziehungsfehler schnell ausgemacht. Die Reaktionen reichen von „zu streng!“ – „zu nachgiebig!“ – „zu wenig / zu viel Aufmerksamkeit!“ bis hin zum „eine Tracht Prügel zur rechten Zeit hat noch niemandem geschadet!“.

Doch in den meisten Fällen wird damit den Eltern Unrecht getan, bzw. tun sie sich selbst Unrecht.
Sicherlich gibt es Ausnahmefälle, in denen eine nicht vorhandene oder viel zu rigide Erziehung ganz maßgeblich dazu beitragen, dass Kinder beispielsweise zu Drogen greifen.
Aber selbst dann – und natürlich auch im Regelfall einer ’normalen‘ Erziehung – spielen viele Faktoren zusammen, die alle dazugehören, dass sich eine solche Störung entwickelt.

Als ein Beispiel möchte ich hier die Alkoholkrankheit anführen, über die Prof. Dr. med. Volker Faust schreibt:

Welches sind die wichtigsten Ursachen einer Alkoholkrankheit?

Als Ursachen der Alkoholkrankheit werden verschiedene Bedingungen diskutiert: Vererbung oder zumindest Disposition (Neigung), Stoffwechselbesonderheiten, psychologische Theorien (Persönlichkeits-, Lern- und psychodynamische Theorien), ferner familiäre, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte, Sozialschicht und Beruf usw.
Wahrscheinlich gibt es aber keine Einzelursachen, sondern nur unglückselige Belastungs-Kombinationen mit individuellem Schwerpunkt (und damit letztlich so viele Ursachen wie Betroffene, sagt man). Weitere Einzelheiten siehe Fachliteratur.

Quelle: http://www.psychosoziale-gesundheit.net/seele/alkohol.html
Ähnliches gilt für andere Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten.

Langer Rede kurzer Sinn – Eltern und Angehörige von Suchtkranken sind in einer schweren Position.

Vorwürfe sind darin keineswegs hilfreich!

Selbstzerfleischung noch viel weniger!

Echte Hilfe gibt es auch für Angehörige bei Suchtberatungseinrichtungen, Selbsthilfegruppen und Therapeuten!

Bitte scheuen Sie sich als Betroffene nicht, die in Anspruch zu nehmen, so wie Sie es bei jeder anderen Erkrankung auch machen würden.

Lesung „Treppe in die Dunkelheit“ in FT am 11.11.10

Am Donnerstag, 11.11.10 um 18:00 Uhr findet eine Lesung, Vortrag und Fragerunde zum Thema Sucht von Steffen Flügler, Autor des hier schon mehrfach erwähnten und noch immer empfehlenswerten Buches „Treppe in die Dunkelheit“ im Kunsthaus in Frankenthal statt.

Nähere Infos zur Lesung gibt es hier.

Wer an diesem Termin nicht kann oder zu weit weg wohnt und das Buch noch nicht kennen sollte oder es an Freunde, Mama, Papa, Opa oder Oma verschenken möchte, kann es gleich hier bei Amazon bestellen.

Alkoholprävention – wie sag ich ’s meinem Kinde?

Alkohol ist ja nun eine ziemlich allgegenwärtige Volksdroge – entsprechend früh erleben auch schon Kinder, dass Alkohol getrunken wird.

Ob ein Verbot der Königsweg ist, bezweifle ich sehr, auch wenn eine holländische Studie dies nahelegen will.

Natürlich soll und darf das kein Freibrief sein, für regelmäßige Eltern-Kind-Besäufnisse.

Womit aber ganz sicher schon ein Faktor festliegt – wie geht das Elternhaus mit Alkohol um? Es ist * räusper * eher wenig glaubwürdig, wenn Papa oder Mama – mal ganz drastisch ausgedrückt – voll wie die Haubitzen, dem Nachwuchs predigen „lass‘ die Finger weg vom Allohol“. Das kann im besten Fall ein so abschreckendes Beispiel sein, dass die Jugend sich schwört „so werd‘ ich nie“ und tatsächlich die Finger weg lässt. Einzelfälle in dieser Art gibt es, die Regel wird es aber eher nicht sein.

Hier sollten Eltern mit sich selbst ehrlich sein und überlegen, wie sie selbst mit Alkohol umgehen wann wird getrunken, wie viel und warum? Tauge ich als Vorbild für einen verantwortungsbewussten Umgang oder sollte ich selbst mein eigenes Verhalten vielleicht überdenken und ändern?

Wie stelle ich selbst mir denn eigentlich einen verantwortungsvollen Umgang damit vor? In den Details ist schon diese Frage schwer zu beantworten.

Das Jugendschutzgesetz regelt den Verkauf und Konsum in der Öffentlichkeit, lässt aber die letzte Verantwortung bei den Erziehungsberechtigten.

(1) In Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit dürfen

1.
Branntwein, branntweinhaltige Getränke oder Lebensmittel, die Branntwein in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, an Kinder und Jugendliche,
2.
andere alkoholische Getränke an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren

weder abgegeben noch darf ihnen der Verzehr gestattet werden.

(2) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn Jugendliche von einer personensorgeberechtigten Person begleitet werden.

Wenn Kinder und Jugendliche nun im Rahmen einer Feier trinkende Erwachsene sehen, dann sehen sie, dass die lustig werden und feiern. So entsteht natürlich schnell der Gedanke, dass Alkohol fröhlich macht und einen „gut drauf bringt“. Sie erleben vielleicht auch noch, dass die Eltern abends „zum Entspannen“ Wein oder Bier trinken.

(Danke Steffen für die Vermittlung dieser Sichtweise)

Wenn ich jetzt den Verbotsgedanken wieder aufgreife, dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass bei Kindern dann schnell der Verdacht aufkommt, die Erwachsenen wollten ihnen was „Schönes“ vorenthalten.

Biologisch-medizinische Begründungen können helfen, zu erklären, warum für Kinder und Jugendliche andere Maßstäbe angesetzt werden müssen als für Erwachsene:

Ein paar Schlucke zuviel können tödlich sein

Neben den sozialen und psychischen Folgen und Problemen sind die körperlichen Auswirkungen des schädlichen Konsums erheblich. Denn der junge Körper verkraftet den Alkohol wesentlich schlechter, als der eines Erwachsenen. „Die Stoffwechselleistung reicht einfach nicht aus, um den Alkohol so schnell abzubauen, wie das bei einem Erwachsenen geschieht“, erklärt Dr. Krüger. Die Langzeitfolgen regelmäßigen Alkoholkonsum in Kinder- und Jugendjahren können daher fatal sein. Gehirn, Leber, und Lunge können nachhaltige Schäden davon tragen. Werden die Jugendlichen im Vollrausch medizinisch betreut, kann das Schlimmste verhindert werden. Es reichen jedoch schon ein paar Schlucke zuviel aus, um den Alptraum wahr werden zu lassen: Alkohol verstärkt die Auskühlung des Körpers oder kann zu Erbrechen führen. Verhindert der Rausch, dass dies wahrgenommen wird, kann das tödlich enden.

Quelle: Uniklinik Freiburg

Doch diese Bedingungen ändern sich ja nicht schlagartig mit dem 16. oder 18. Geburtstag.

Von daher sollte bereits frühzeitig darüber aufgeklärt werden, dass Alkohol ein Genussmittel ist und auch ein Suchtpotential in sich trägt.

Kindgerecht lässt sich das schon Jüngeren durch einen einfachen Vergleich nahe bringen:

Wenn Du ein Stück Schokolade isst, dann ist das lecker und ein Genuss. Wenn Du drei Tafeln Schokolade auf einmal isst, dann gibt das Bauchweh. Und wenn Du jeden Tag eine ganze Tafel Schokolade isst, dann schadest Du damit Deinem Körper, wirst dick und kannst zuckerkrank werden.

Zufriedene Abstinenz – Interview mit Rolf Höge Teil 2

Der zweite Teil des Interviews mit Rolf Höge:

Der Weg in die zufriedene Abstinenz – bedeutet das letztendlich, für alle Situationen, in denen zuvor der Alkohol eine Rolle gespielt hat, neue Wege zu finden?

Es bedeutet zunächst einmal, eine Entscheidung zu treffen, nämlich die Entscheidung abstinent leben zu wollen. Damit ändert man die Blickrichtung von ‚ich will nicht mehr trinken’ hin zu ‚ich will zufrieden abstinent leben’

Wenn ich also diese Entscheidung getroffen habe, dann steht mir das ‚Lösungsmittel’ Alkohol in all den Problemsituationen nicht mehr zur Verfügung. Sich nach  Stresssituationen abends gemütlich mit einem Glas Rotwein zu entspannen, taugt für einen Alkoholiker nicht als Entspannungsmethode. Sich mal eben etwas Mut anzutrinken, bevor man beispielsweise eine Frau zum Tanzen auffordert, ist ebenfalls nicht angesagt. Das Gefühl, sich ausgegrenzt zu fühlen, weil man auf Partys keinen Alkohol trinkt, kann man  nicht einfach mal so wieder wegsaufen. Wenn die Entscheidung zur Abstinenz wirklich getroffen wurde, steht die Krücke Alkohol nicht mehr zur Verfügung. Und dann ist es tatsächlich so als würde man das Laufen neu lernen.

Aus diesem Grund halte ich auch Selbsthilfegruppen für wichtig. Denn dort sitzen trockene Alkoholiker, die bereits laufen können. Sie sind der lebende Beweis dafür, dass ein Leben ohne Alkohol möglich und erstrebenswert ist.

Nun sage ich in meinem Ratgeber „Quo vadis, Alki?“ nicht, was man nun in der einen oder anderen  Problemsituationen tun soll anstatt zu trinken. Denn es geht ja um Wege in eine „zufriedene“ Abstinenz, nicht um Trinkalternativen.

Zufriedene Abstinenz ist kein fertiges Produkt, kein Ideal, das am Ende eines langen, schwierigen Weges steht. Man kann sie nicht suchen, um sie letztend­lich zu finden. Man muss sie entdecken, für sich ganz persönlich. Das heißt, man wird nicht irgend­wann an einem Zielpunkt ankommen, den man dann „zufriedene Abstinenz“ nennt und den man nur zu halten braucht.

Zufriedene Abstinenz gleicht einer Entdeckungsreise, einer langen  Fahrt und der Sinn dieser Fahrt ist die Reise selbst. Dabei kann man auch schon einmal in einen Stau geraten. Es gilt aber, sich auf dieser Fahrt selbst immer besser  kennen und verstehen zu lernen und dabei mehr und mehr zu entdecken, was für einen ganz persönlich Zufriedenheit bedeutet.

Je mehr wir  entdecken, was in unserem  Leben Zufriedenheit, Wohlgefühl, Lebensfreude und positive Lebenseinstellung beinhaltet, um so mehr können wir bewusst und durch eigenverantwortliches Handeln dafür sorgen, diese Zustände herbeizu­führen und zu steuern. Mit diesem Entdeckungspro­zess erschaffen wir unser eigenes  Wohlfühlland und gewinnen an Lebensqualität. Das gilt nicht nur für Alkoholiker.

Wir selbst steuern unsere Reise aufgrund ganz persönlicher Erfahrungen. Und so mag das, was mich zufrieden macht, nicht unbedingt jemand anders auch zufrieden stellen. Zwei trocken Alkoholiker können also für sich jeder einen anderen Weg in die zufriedene Abstinenz finden. Aber beiden ist die Entscheidung gemeinsam, zufrieden ohne Alkohol leben zu wollen.

Um dies leben zu können, muss sich wiederum jeder für sich in den unterschiedlichsten Lebenssituationen immer wieder fragen, ob das, was er gerade lebt, im Einklang mit seiner Entscheidung steht. Und er muss für sich natürlich heraus finden, was für ihn ganz individuell Zufriedenheit bedeutet, damit er überprüfen kann ‚fühlt sich so Glück an?’

Darin gibt mein Ratgeber etwas Hilfestellung.

Welche Rolle hat Kreativität dabei für Dich gespielt?

Nun, während meiner nassen Zeit, musste ich immer wieder Wege finden, um mich am Stoff zu halten. Neue Lügen, neue Ausreden und vieles mehr. Wissenschaftlich gesehen war ich also ‚kreativ’, denn ich hatte mir mit fortschreitender Alkoholerkrankung die „ Fähigkeit erworben, neue Problemstellungen durch die Anwendung dieser  Fähigkeiten zu lösen:“  Allerdings war das  sehr kontraproduktiv und hat mit der Kreativität wie ich sie als trockener Alkoholiker und Künstler verstehe, nicht viel gemeinsam.

Natürlich erwirbt man mit zunehmender Abstinenz auch neue Fähigkeiten mit den unterschiedlichsten  Problemstelllungen umzugehen, ohne auf Alkohol zurückgreifen zu müssen. Das ist aber ein Entwicklungsprozess, ein Produkt der Abstinenz.

In meinem Wohnzimmer hängen Bilder an der Wand, die ich selbst gemalt habe. Die hängen nicht einfach da, weil ich nun eine Möglichkeit gefunden habe, meine Wände selbst zu schmücken. Jedes Bild, jedes abstrakt gemalt, spiegelt auch einen ganz bestimmten Aspekt meiner Persönlichkeit zu einem ganz bestimmten  Zeitpunkt wieder. Mit jedem Bild habe ich etwas aus mir „herausgedrückt“, was in mir war und mich damit eben „ausgedrückt“.  Auf den ersten Blick vielleicht  eine kleine Wortspielerei. Näher betrachtet ist es aber genau das, was ich während meiner nassen Zeit nicht konnte: das, was in mir war, auch auszudrücken.

Mein Kopf war oft voll mit „mentalem Ballast“, mit einem Gedankengewitter, mit Selbstvorwürfen, Selbstverurteilungen, mit Tausenden von „wenn“ und „aber“, die Gedanken drehten sich wie in einem Hamsterrad. Gute Vorsätze hatte ich Tausende. Nichts davon konnte  ich umsetzen, denn alle Vorsätze waren Teil dieses Hamsterrades, Gedanken, die sich abwechselten. Ruhe bekam ich nur, wenn ich das alles wegsoff, mir das Gehirn zu ballerte.

Und jetzt komme ich zu dem kreativen Prozess! – Alles, was einen Menschen dazu befähigt, vom Denken ins Handeln zu kommen, bezeichne ich als einen kreativen Prozess, der lebendig macht. Man ist nicht mehr passiv seinen Gedankenströmen ausgeliefert, sondern hält  das Hamsterrad an. Das Anhalten führt ins Jetzt, in den gegenwärtigen Augenblick und damit in die Handlungsfähigkeit. Welche neuen Handlungsweisen man nun anwendet, anstatt in gewohnte Muster zurück zu fallen, ist eine Frage des kreativen Prozesses, den man bevorzugt. Das kann das Schreiben,  das Malen, das Singen oder jede andere Aktion sein. Die Betonung liegt auf „Aktion“, nicht auf „denken“.

In „Quo vadis, Alki?“ beschreibe ich die Methode “Gedanken heraus schreiben“, eine sehr wirksame Methode, sich mentalen Ballasts zu entledigen, durch das Nie­der­schreiben von Gedanken in wenigen Minuten.

Man nimmt  dazu einen Stift, ein Blatt Papier,  konzentriert sich auf seinen  Gedankenstrom und schreibt  schnell und ohne zu überlegen auf, was man im gegenwärtigen Augenblick gerade denkt, welche ver­schiedenartige Gedanken durch den Kopf rasen. Das darf gerne vollkommen zusammenhanglos sein. Man  braucht  keine gut formulierten Sätze, es genügen Stichworte. Wichtig ist, schnell zu schreiben, damit man nicht im Denken verharrt. Damit „entleert“ man seinen Kopf, indem man seinen inneren Gedankenstrom allein durch die Motorik des Schreibens, durch die Bewegung ins Außen bringt. Das entstresst und bringt oft auch ganz gute Textkreationen hervor.

Vielen Dank für die aufschlussreichen und interessanten Antworten.

Interview mit Rolf Höge, Autor von „Quo vadis, Alki?“

Rolf Höge, Mannheimer Autor, beschäftigt sich in seiner Autorenlesung „Meine  Schreibe…“ unter anderem auch mit den Themen Sucht und Persönlichkeitsentwicklung. Höge  lebt seit vielen Jahren zufrieden abstinent und nutzte gerade am Anfang dieser Abstinenz das Schreiben und gelegentlich auch das Malen, um sich mit seiner eigenen Suchtvergangenheit auseinander zu setzen.

Mit seinem Ratgeber „Quo vadis, Alki?“, den man als e-book bei xinxii.com downloaden kann, wendet sich Rolf Höge in erster Linie an trockene Alkoholiker. Der Autor und betriebliche Suchtkrankenberater bietet aufgrund eigener Erfahrungen und selbst erlebter Betroffenheit ein Stück Hilfestellung an für einen Weg hinein in eine dauerhafte, zufriedene Abstinenz.

Was war Deine Motivation zum Schreiben?

Das Schreiben begleitet mich schon mein ganzes Leben. Auf meiner Schulbank lag das Lateinbuch und auf meinen Knien eine Ausgabe von Karl May. Selbstverständlich  wollte ich auch einmal ein großer Schriftsteller wie Karl May werden und begann mit ungefähr vierzehn Jahren kleinere Geschichten zu schreiben, die aber meist weder einen richtigen Anfang noch einen Schluss hatten. Schon damals merkte ich, dass Schreiben wohl sehr viel Arbeit ist.

Dann kam der Alkohol in mein Leben und irgendwann zeriss ich in einem Vollrausch meine Manuskripte. Danach  war zunächst einmal Ruhe mit dem Schreiben. Als ich mich von meiner Sucht befreit hatte, fasste ich wieder neuen Lebensmut und damit begann auch wieder das Schreiben.

Nach meiner Alkoholtherapie ließ man mich einige Jahre keine Schicht  mehr arbeiten, dadurch hatte ich weniger Verdienst als vor der Therapie, aber dieselben Ausgaben. Ich begann ein paar Kurzgeschichten zu schreiben und schickte sie an die Tageszeitung. Sie wurden angenommen und bedeuteten für mich eine kleine, zusätzliche Einnahmequelle. Durch die abgedruckten Kurzgeschichten wuchs auch der Glaube in meine Fähigkeiten. Ich schrieb kurze Prosa-Stücke und Gedichte, die dann in dem Band „Jenseits von Oggersheim“, einer Anthologie der Werkstatt Mannheim im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, veröffentlicht wurden. Als Mitglied im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt nahm ich auch an einigen Lesungen teil, und meine Schreibe kam im Allgemeinen gut beim Publikum an.

Ich nutzte das Schreiben aber auch, um meine Suchtvergangenheit aufzuarbeiten. Es entstand „Ein stinknormaler Tag“, die Schilderung eines ganz normalen Tagesablaufes im Leben eines Alkoholikers, die ich noch heute öffentlich lese. Einen Teil meines Weges in die Sucht verarbeitete ich in meiner surrealistischen Novelle „Enzephalon lässt grüßen“, in der ein Alkoholiker an seinem dreißigsten Geburtstag plötzlich Besuch aus seinem Gehirn bekommt.

Mit den Jahren der Abstinenz wandelte sich allerdings meine Schreibe von der Suchtbewältigung über sozialkritische Texte bis hin zu humorvollen Texten mit einem Schuss Ironie. Einen Querschnitt daraus bildet meine Lesung „Meine Schreibe…“

Im Rahmen meiner NLP- und Coaching-Ausbildung kam mir dann, wie sicherlich vielen, die ähnliche Ausbildungen durchlaufen haben, die Idee einen Ratgeber zu schreiben, er sollte  Wege in eine zufriedene Abstinenz aufzeigen. So entstand „Quo vadis, Alki – Wohin gehst du, Alki?“

Während sich motivierende und aufklärende Schriften zum Thema Alkoholis­mus an Menschen richten, die noch in ihrer Sucht gefangen sind, wende ich mich mit diesem kleinen Ratgeber an Alkoholiker, die mit dem Trinken aufgehört und beschlossen haben, ohne Alkohol leben zu wollen. Dabei gebe ich keine Wege vor. Den Schwerpunkt lege ich vielmehr darauf, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man das Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich leben kann, um ohne Alkohol zu einer positiven Lebenseinstellung zu kommen. Es geht also um die Einstellung, die jemand für seinen Weg in die Abstinenz mitbringt, ob er Abstinenz als Verzicht oder Bereicherung erlebt.

Dieser kleine Ratgeber „Quo vadis, Alki?“ lag einige Jahre in meiner Schreibtischschublade, bis ich mich vor kurzem entschlossen habe, ihn als e-book anzubieten.

Wie würdest Du persönlich Sucht definieren?

Rein wissenschaftlich betrachtet, existiert der Begriff „Sucht“ eigentlich nicht mehr. Man spricht heute von Abhängigkeit. Jeder körperlichen Abhängigkeit geht für mich eine psychische Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten voraus. Die Unfähigkeit von dieser Substanz oder von einem bestimmten Verhalten zu lassen, diese nicht mehr vorhandene Freiheit, andere Verhaltensweisen wählen zu können, ist ein wesentliches Element der Abhängigkeit. Hinzu kommt, die Aufnahme der Substanz, wie beispielsweise Alkohol, nicht mehr steuern zu können. Man spricht dann von einem Kontrollverlust.

Ich selbst trank nicht täglich, dafür aber exzessiv. Die Abstände zwischen den alkoholbedingten Abstürzen wurden kürzer. Wesentlich aber war mit fortschreitendem Konsum, dass ich immer dann, wenn ich anfing zu trinken, keine Möglichkeit mehr hatte, mein Trinkverhalten zu steuern. Ich soff bis zum Umfallen und mir wurde erst spät klar, dass ich ein Alkoholproblem hatte. Gerade weil ich ja abstinente Phasen hatte, und weil der Übergang vom Konsum zur Abhängigkeit schleichend ohne sichtbare Grenze vor sich geht, gelangte ich nur schwer zu einer Krankheitseinsicht. Auch gesellschaftlich werden diese Saufeskapaden oft als „Ausrutscher“ toleriert.

Man sagt, wenn sich alle Alkoholiker in Deutschland  die Hand geben würden, könnten sie eine Menschenschlange von 3500 km bilden. Das entspricht ungefähr viermal der Strecke vom Bodensee bis zur Ostsee. Angesicht dieser Tatsache ist es schon erschreckend, wie wenig die Gesellschaft tatsächlich über diese Krankheit weiß und wie hartnäckig sich das Bild vom willensschwachen Alkoholiker hält.

Man überlege sich nur, wie viel Durchhaltevermögen ein Alkoholiker aufbringt, um seine Abhängigkeit aufrecht zu halten. Wie viel Energie und Kraft er aufbringt, um sich immer wieder entgegen aller schlechten Er­fahrungen mit Alko­hol zu versorgen. Wie lange er die herablassenden Blicke anderer aushält. Wie kann das willensschwach sein? Nein, Durchhaltevermögen, Energie und Kraft ist genau das Potential auf dem jeder aufbauen kann, der für sich entschieden hat, ohne Alkohol leben zu wollen.

Ich unterstütze Bestrebungen, die zu mehr Problembewusstsein in der Gesellschaft führen. Texte wie „Ein stinknormaler Tag“, in dem ich einen von vielen Tagesabläufen  eines Alkoholikers schildere, haben deshalb auch in meiner Autorenlesung „Meine Schreibe…“ noch heute ihren festen Platz.

Du verwendest den Ausdruck „das Lösungsmittel Alkohol“ – hast Du es damals so empfunden, dass Alkohol Probleme löst?

Am Anfang meines Abhängigkeitsweges habe ich Alkohol getrunken und machte damit zunächst eine scheinbar positive Erfahrung. Es stellte sich ein entspannter, gelöster Wohlfühlzustand ein und ich konnte auf andere Menschen zugehen, lernte das andere Geschlecht besser kennen, weil ich viel gelöster nach außen hin auftre­ten konnte. Es funktionierte anfänglich alles sehr gut und bald suchte ich diesen vor­teilhaften Zustand immer öfter und erhöhte die Dosis, um dorthin zu gelangen, ständig. Alkohol wurde von mir also bewusst eingesetzt.

Mit Alkohol konnte ich Konflikten aus dem Weg gehen, anstatt sie zu lösen. Durch den Alkohol kam ich mit anderen Menschen in Kontakt, fühlte mich dazugehörig. Mit Alkohol konnte ich lachen, lustig sein. Andere Möglichkeiten, solche Gefühle ohne Alkohol zu erleben, kannte ich kaum. Insofern ist Alkohol ein Lösungsmittel, auch wenn mir erst spät deutlich wurde, welche Probleme ich damit zu lösen suchte.

Mehr über Rolfs Weg in die zufriedene Abstinenz, Lebensfreude und Wohlgefühl gibt es hier zu lesen.

Die Sache mit der guten Fee – Wunscherfüllung, wie geht das?

Früher, zu Zeiten der Gebrüder Grimm, war das noch ganz einfach. Die gute Fee erschien und schon hatte man drei Wünsche frei, die auch garantiert erfüllt wurden.

Doch schon im Märchen vom Fischer und seiner Frau wird deutlich, dass die Sache mit der Wunscherfüllung auch damals schon nicht ganz so einfach war. Ihr erinnert Euch?

Der Fischer angelte einen Butt, der in Wirklichkeit ein verwunschener Prinz war. Voller Mitleid lies der Fischer den Butt wieder schwimmen und lief nach Hause und erzählte seiner Frau davon. Diese witterte ihre Chance und schickte den Fischer zurück ans Wasser, um sich vom Butt ein kleines Steinhaus anstatt ihrer armseligen Fischerhütte zu wünschen. Tatsächlich besaß der Butt die Fähigkeit der Wunscherfüllung und lies sie in ihr Steinhaus einziehen. Nachdem das so einfach war, wurden die Wünsche der Fischersfrau immer größer, erst wollte sie ein Schloß, dann König, Kaiser, Pabst und schließlich gar Gott werden.

Der Ausgang der Geschichte ist wohl allgemein bekannt.

Nun sind die Zeiten Gebrüder Grimm ja schon einige Jahre her, gute Feen und sprechende Fische weitgehend aus der Mode geraten.

Stattdessen wird beim Universum bestellt, Lotto gespielt, affirmiert, jede Menge Ratgeberliteratur gelesen und wenn alles nichts fruchtet oder zu unbequem ist, mit Stimulantien jeglicher Art nachgeholfen.

Und nun erzähle ich auch noch, dass man durch Bilder malen Wünsche erfüllen kann?

Die gute Nachricht dabei ist, es funktioniert tatsächlich. Die Schlechte – es ist nicht ganz so einfach wie es vielleicht scheinen mag.

Die Grundvoraussetzungen, damit es funktioniert sind:

Der Wunsch ist positiv und genau genug formuliert.

Positiv formuliert bedeutet, er enthält keine Verneinung.

Also „nicht mehr rauchen/saufen/dick sein/depressiv sein….“ funktioniert überhaupt nicht, weil unser Gehirn keine Verneinungen verarbeiten kann.

Und wenn wir noch so viele (gedankliche) Balken durch die Zigarette oder die Flaschen ziehen, so geht es nicht.

Da müssen schon genauere Gedanken und Situationen herhalten.

Wann genau greife ich zu Alkohol oder Schoki? Was wünsche ich mir stattdessen für diese Situationen? Du siehst – es ist im Vorfeld Einiges an Überlegungsarbeit und Ehrlichkeit zu sich selbst notwendig.

Es ist vielleicht auch gar nicht möglich, das ganze Thema am Stück zu bearbeiten, sondern es muss in viele kleine Einzelteile aufgedröselt werden.

Die dann, eins nach dem anderen, mit Geduld und Nachsicht mit sich selbst, angegangen werden können.

Stück für Stück – Bild für Bild.

Kann ich bei Dir auch ohne Gruppe malen?

Manchmal gibt es Themen, die möchte man nicht vor einer Gruppe aufs Papier bringen. Auch wenn meine Gruppen ohnehin sehr klein sind (zur Zeit maximal 3 Personen), verstehe ich das vollkommen.

Einzeltermine sind daher nach Absprache möglich.

Auch Kinder in besonderen Situationen können auf Wunsch einzeln malen.

Grundsätzlich entsteht aber durch die Gruppe eine ganz besondere Atmosphäre, so dass es schon sinnvoll und wünschenswert ist, zumindest einen Teil der Zeit im befruchtenden Rahmen einer Gruppe zu malen. Wann was sinnvoll ist, sprechen wir am Besten gemeinsam ab.

Wenn Du mich vor dem Malen erst einmal kennenlernen möchtest, lade ich Dich zu einem etwa halbstündigen, kostenlosen und unverbindlichen Vorgespräch ein.