Veränderungsbremsen – Teil 2: Der innere Schweinehund

Also gut, zähneknirschend hast Du eingesehen, dass tatsächlich Du etwas verändern musst. Und doch sind in Deinem Inneren noch widerstrebende Kräfte am Werk. Dieses fiese kleine Tierchen, das Dir immer solche Sachen ins Ohr flüstert:

„Es ist doch viel zu kalt zum Joggen“

„Morgen ist auch noch ein Tag“

Das kommt Dir bekannt vor? Ich gestehe – mir auch. Trotzdem gebe ich hier keine Anleitung, wie der innere Schweinehund besiegt werden kann. Dazu gibt es sogar eine eigene Bücherserie, von der ich allerdings kein einziges Exemplar gelesen und sie somit auch nicht empfehlen oder davon abraten kann.

In diesem Artikel erfolgt meine höchst eigene Einschätzung dieses Themas, die sicher in so manchem Punkt von der allgemeinen Auffassung abweicht.

Denn ich behaupt jetzt mal ganz kühn, der innere Schweinehund ist nur eine andere Form der „Anderen“, die ich im ersten Teil der Veränderungsbremsen schon erläutert habe. Statt die Bremsen im Außen zu suchen, werden sie zwar ins Innere verlagert, erhalten dort jedoch das „Gesicht“ eines „Anderen“. Die Gestalttherapie spricht in dem Zusammenhang von Introjekten, das sind Meinungen und Auffassungen, die wir von außen übernommen und kritiklos geschluckt haben, die als Unverdautes in uns liegen.

Wenn ich darauf achte, zu welchen Themen sich dieser ominöse Schweinehund zu Wort meldet, dann fällt mir auf, dass es Themen sind, die mich nicht wirklich berühren. Solche, die mir eigentlich gar nicht wirklich wichtig sind, von denen ich aber annehme, sie müssten es sein.

Ein ganz persönliches Beispiel ist Sport. Mir war schon lange erklärt worden, dass ich meine Rückenprobleme durch Sport besser in den Griff kriegen könnte. Doch alle Vorschläge, die mir daraufhin ärztlicherseits oder in diversen Ratgebern gemacht wurden, waren mir im tiefsten Inneren zuwider. Muckibude ist nicht mein Ding, sinnlos übern Acker rennen noch viel weniger. Und Fahrradfahren kann mich auch nur reizen, wenn es ein klares und attraktives Ziel am Ende der Strecke gibt.

Es gab ein paar halbherzige Versuche, die mir nur bestätigten, dass das nicht mein Ding ist.

Irgendwann las ich von Pilates, das fand ich noch einigermaßen ansprechend, konnte mir zumindest vorstellen, dass ich mich damit vielleicht anfreunden könnte. Im Programm der örtlichen Volkshochschule fand sich sogar ein Vormittagskurs, denn mir war klar, dass ich abends die Kurve ganz sicher nicht mehr kriege. Eine Mitstreiterin fand sich schnell, der erste Kursbesuch brachte eine echte Überraschung „Das macht ja richtig Spaß“. Auch wenn die Mitstreiterin nicht sehr lange mithielt, dieser Termin ist für mich mittlerweile fix – seit nunmehr 3 Jahren nehme ich immer wieder an diesem Kurs teil und in den Ferien fehlt er mir.

Was war passiert? So ganz genau kann ich es gar nicht definieren, das Thema war gereift, es war mir selbst zu einem Bedürfnis geworden, etwas für mich und meinen Rücken zu tun. Meine innere Einstellung dazu hatte sich verändert und kein einziges Mal in diesen 3 Jahren hat sich der innere Schweinehund zu Wort gemeldet.

Die Erkenntnis daraus – manche Themen müssen reifen.

Eine Mauer ist eine Mauer!

Bei meinem Kollegen Raimund von Schwangerschaftserlebnis-Blog fand ich einen Artikel, in dem er eine Erfahrung mit Malen beschreibt. Ich stelle mir jetzt vor, ein solches Bild zu begleiten und daran zu erläutern, was es genau bedeutet, ein Bild zu klären.

‚Die Zeichenstifte ließen eine Mauer auf dem Papier entstehen, und davor ein Baum. Es gab noch ein paar Luftballons und fertig.‘

Hier setzt die Klärung an – ist das Bild so wirklich fertig? Was für eine Mauer ist das? Gehört die zu einem Gebäude? Ist es eine Gartenmauer? Hast Du sowas schonmal in echt gesehen? Und was hat es mit den Luftballons auf sich? Wo kommen die her? Gibt es dazu eine Geschichte? Möchtest Du mir die erzählen?

Sehr wahrscheinlich nimmt dieses Bild ab hier schon einen ganz anderen Verlauf, aber ich nehme jetzt mal die ursprüngliche Aussage:

‚ Natürlich war mir sofort klar, dass diese Mauer ein Hindernis in meinem Leben darstellen sollte und dass ich unbedingt und sofort drüber weg musste.‘

Mauer
Eine Mauer ist eine Mauer!

Die Mauer wird als Symbol für ein Hindernis betrachtet. Wir sind es gewohnt Darstellungen symbolisch anzuschauen. Im begleiteten Malen ist eine Mauer eine Mauer. Alle Möglichkeiten sind offen. Begibt sich mein Malender auf diese symbolische Ebene, ist es meine Aufgabe, ihn an das Bild zurückzuholen, weg von der als allgemeingültig betrachteten Interpretation ‚Hindernis‘. Dabei handelt es sich um das, was die Gestalttherapie als ‚Introjektion‘ bezeichnet, das ungeprüfte Übernehmen von Normen und Vorstellungen. Am nächsten Morgen kommt Raimund zu genau dieser Erkenntnis:

‚Beide Gedanken waren für mich völlig überraschend. Und sehr interessant! Klar, das Bild zeigte einfach eine Mauer. Wieso hatte ich sofort die Idee, über sie hinweg zu kommen? Ist es nicht erstaunlich, wie leicht man einer Annahme folgt ohne zu überprüfen, ob sie überhaupt stimmt? Ich hatte angenommen, dass diese Mauer ein Hindernis symbolisierte – ja, und warum nicht. Aber warum sollte es ein Hindernis sein, das vor mir lag und nicht eines, das ich endlich hinter mir hatte?
Als ich am nächsten morgen aufwachte, hatte ich sofort und als allererstes zwei Gedanken, die glasklar vor mir standen:
1. Jede Mauer hat irgendwo ein Tor – warum also gehst du da nicht entlang bis du dieses Tor gefunden hast?
2. Wer sagt, dass du da rein willst? Vielleicht warst du endlich draußen?‘

Wäre dieses Malen begleitet gewesen, wäre genau das schon viel früher, in der Arbeit am Bild eingetreten. Welche Geschichte uns die Mauer dann wohl noch erzählt hätte?