An diesem Dienstag kam der Zwölfjährige schon richtig unleidlich ins Atelier. Er war so richtig mies drauf, nichts wollte ihm gefallen. Ich wusste, dass er in einer sehr schwierigen Situation steckte und versuchte, ihm das Malen doch schmackhaft zu machen.
Zuerst konnte er sich kaum entscheiden, wie das Papier gehängt werden soll, halbherzig lies er sich schließlich auf das Querformat ein. Lustlos fing er an eine beliebige Farbe aufs Papier zu bringen, zunächst bogenförmig. Mit dem nächsten Pinsel malte er darüber, brachte eine Farbe nach der anderen übereinander auf. Der anfängliche Bogen erweiterte sich zur liegenden Acht.
Die Farben vermischten sich zu einem grünlich-bräunlichen Grau. Immer schneller übermalte er immer wieder die gleichen Stellen.
Irgendwann beschloss er, es sei jetzt fertig.
Aber zufrieden war er mit seinem Bild nicht, überhaupt nicht.
Meine Anregung, es sich mit etwas Distanz anzuschauen nahm er an. Auf die Frage, ob ihm etwas dazu einfalle, ob er was darin erkennen könne, was er weiter ausarbeiten könnte, um vielleicht doch noch zufrieden mit dem Bild zu werden, entlockte ihm nur ein Kopfschütteln.
Er betrachtete sein Bild eine ganze Weile aus der Entfernung, bevor er sich zu mir drehte und erklärte: „Sabine, ich weiß jetzt, was dem Bild fehlt!“
Daraufhin ging er zu seinem Bild und gab ihm einen Kuss. „Jetzt hab ich es gern!“
„Das ist jetzt zwar nicht so geworden, wie ich es wollte, aber manchmal muss man das dann auch so lassen!“ Mit dieser Aussage überraschte mich ein Siebenjähriger nach etwa 5 Wochen Malen im Atelier. Er hatte sich zu Beginn seiner Atelierbesuche ewig damit verweilt, aus Weiß und Schwarz Grautöne zu mischen. Sie mussten immer wieder neu gemischt und übermalt werden, weil sie seinen Vorstellungen nicht entsprachen. Wenn er etwas auf sein Blatt geschrieben hat, dann hat er es zumeist durchgestrichen und neu geschrieben, weil ihm das Geschriebene nicht schön genug war. Bettina Egger geht ja davon aus, dass sich die Malenden beim Malen so verhalten, wie im echten Leben. Bei diesem Jungen zumindest trifft das wohl sehr genau zu, denn auch bei den Hausaufgaben und in der Schule zeigte er dieses Verhalten. Oft wurde er mit den Arbeitsblättern nicht fertig, weil er wieder und wieder ausradiert hat, weil das nicht so geworden ist, wie er es wollte. „Aber manchmal muss man das auch so lassen!“ – Zu ihm direkt habe ich das so eigentlich nie gesagt. Das war eigentlich mein Thema mit einem anderen Jungen in dieser Gruppe. Regelmäßig wollte er das Papier umgedreht haben, weil ihm sein Anfang nicht gefallen hat. Ihn hatte ich immer wieder ermutigt, aus dem missglückten Anfang doch noch etwas zu machen. Und doch hat es auch auf den Siebenjährigen nachhaltig gewirkt. So nachhaltig, dass er es in sein Leben außerhalb des Atelier übertragen kann ? ! ?