Wahrnehmungsübung „Ich muss nicht müssen“

Diese Übung wird im Idealfall zu zweit gemacht, aber auch allein ist sie durchführbar.

Es wird zunächst aufgezählt, was wir alles meinen zu müssen.

  • Ich muss zum Friseur,
  • ich muss tanken,
  • ich muss das Buch lesen,
  • ich muss ….

Nach einigen Minuten des „müssens“ war mir ganz erdrückt zumute, alles fühlte sich schwer und zwanghaft an.
Im zweiten Teil der Übung wurden die gleichen Punkte umformuliert in „Ich entscheide mich für, weil…“.

  • Ich entscheide mich dafür, zum Friseur zu gehen, damit meine Haare wieder schön aussehen.
  • Ich entscheide mich dafür zu tanken, weil ich sonst auf der Heimfahrt mit leerem Tank liegen bleiben könnte.
  • Ich entscheide mich dafür, das Buch zu lesen, weil es interessante Inhalte hat, die mich persönlich weiterbringen können.

Und obwohl sich in der Sache zunächst nichts geändert hat, wirkt das doch gleich ganz anders, weil die Entscheidungsfreiheit sehr viel deutlicher ausgedrückt wird.

Die Macht der Worte – es erstaunt mich doch immer wieder, wie sich Worte auf das Denken und Fühlen auswirken.

Wenn Du es eilig hast, gehe langsam

Diese alte chinesische Lebensweisheit wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich und doch hat sicher jeder von uns es schon erlebt. Wir werden immer hektischer, nichts geht uns von der Hand, Mißgeschicke passieren und deren Beseitigung kostet uns jede Menge kostbarer Zeit, die wir ja jetzt eigentlich gerade gar nicht haben.

Gehe langsam – konzentriere Dich auf das, was Du tust und was gerade wichtig ist.

Besinne Dich auf Dich selbst und Dein Handeln.

Achtsamkeit, was nehme ich wahr?

Was geht in mir vor?

Eine kurze Pause vom hektischen Alltag, oder auch neudeutsch – „entschleunigen“.

Eigentlich klingt das so einfach und doch fällt es uns so schwer.

Ein langwieriger Prozeß ist es für mich, noch längst nicht abgeschlossen.

Aber es gelingt mir immer öfter immer besser.

Und wenn es das nächste Mal hektisch wird, fällt mir vielleicht gleich wieder ein „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.“

Wahrnehmungsübungen für Kinder

Eine ganze Reihe sehr schöner Wahrnehmungsübungen für Kinder habe ich hier bei der Mütterberatung des Luippold Verlags gefunden.

Etwas kritisch betrachte ich allerdings diese Aufforderung:

„Wer sehen kann, kann auch zeichnen

Malen oder Zeichnen zu können, hat eine Menge damit zu tun, wie man das, was man zu Papier bringen möchte, sieht oder wahrgenommen hat. Deshalb sollten gerade Kinder in ihrer Fähigkeit zu malen, gefördert werden. Dabei trainiert sich das richtige Sehen bei jedem Mal ein klein wenig mehr – insbesondere dann, wenn das, was das Kind malen soll, vorgegeben wird. Das heißt, in diesen Fällen sollten Gegenstände abgemalt werden. Das kann eine Pflanze im Blumentopf sein, eine bestimmte Obstsorte aus der Obstschale, die Uhr an der Wand oder was Ihnen sonst noch einfällt.“

Das möchte ich in dieser Form auf größere Kinder (ab etwa 13 Jahre) einschränken, kleinere Kinder, bei denen die Malentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, sind damit noch reichlich überfordert, zumindest wenn der Anspruch der realisitischen Darstellung ins Spiel gebracht wird.

Kleine bunte Wahrnehmungsübung

Nimm Dir ein Blatt Papier und ein paar Stifte – dicke Buntstifte oder Ölkreiden sind gut geeignet.

Lege eine alte Zeitung unter Deinen Papierbogen.

Such Dir eine Farbe aus, die Dir gerade besonders gut gefällt. Nimm nun diesen Stift in die Hand, mit der Du normalerweise nicht malst. Setze den Stift auf das Papier und lasse ihn sich bewegen. Ganz so, wie es Dir gerade gefällt. Achte dabei auf Deine Gefühle, wie fühlt sich das an?

Welche Bewegung tut Dir besonders gut?

Welche nicht?

Schliesse Deine Augen und bewege den Stift dabei weiter auf dem Papier. Wenn Du genug davon hast, höre mit den Bewegungen auf und spüre nach – wie fühlst Du Dich?

Öffne nun Deine Augen und schau Dir das Papier an – erkennst Du etwas?

Was ist das?

Was hat es mit Dir zu tun?

Wie geht es Dir mit dem Erkannten?

Besonders schön ist diese Übung, wenn sie zu zweit oder in einer kleinen Gruppe gemacht wird und über die Gefühle gesprochen werden kann. Jeder erzählt von sich und seinen Gefühlen, die anderen dürfen nicht werten und kritisieren.

Die Übung eignet sich auch für Kinder ab etwa drei bis vier Jahren und gerade die Kleinen erzählen normalerweise sehr unbefangen über ihre Bilder und die Gefühle dabei.

Wie gehen wir überhaupt mit unseren Gefühlen um?

november
Welche Gefühle bringt der November mit sich?

Seitdem ich die Idee zu dieser Novemberblues-Serie hatte, geht mir der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf.

Wie ist das überhaupt mit unseren Gefühlen? Wie gehen wir damit um? Und – um eine Basis für meine weiteren Ausführungen zu legen – welche Gefühle gibt es denn überhaupt?

Die Suche nach einer einfachen Aufzählung möglicher Gefühle zeigt, dass es schon gar nicht so einfach und selbstverständlich ist, was denn überhaupt Gefühle sind. Je nach psychologisch/philosophischem Hintergrund werden zwischen zwei und elf Grundgefühle unterschieden.

Welche Gefühle gibt es?

Ich bin so frei und sammle aus verschiedenen Quellen, so dass ich die folgenden Gefühle als Ausgangspunkt nehme:
Begierde, Bewunderung, Zorn, Furcht, Mut, Neid, Freude, Liebe, Hass, Sehnsucht, Eifersucht, Mitleid, Fröhlichkeit, Wut, Ekel, Verlangen, Verachtung, Traurigkeit, Überraschung, Interesse-Neugier, Ärger, Schmerz, Scham und Schuld.

Auch diese Auflistung ist ganz sicher nicht vollständig und darf gern per Kommentar ergänzt werden.

Betrachte ich mir nun diese Auflistung, so fällt mir auf, dass nur wenige dieser Gefühle  positiv besetzt sind.

Mut, Freude, Liebe und Fröhlichkeit stehen allgemein in einem positiven Licht, sie werden allgemein gern genommen und akzeptiert.

Doch was ist mit den anderen Gefühlen? Wer gibt schon gern zu, dass er eifersüchtig ist, sich ärgert, sich schämt, zornig oder traurig ist? Und doch empfindet jeder von uns immer wieder auch diese Gefühle.

Ist es dann nicht der erste Impuls, diese Empfindungen zu unterdrücken und beiseite zu schieben? Und nur wer gänzlich unbeherrscht ist, gibt den Gefühlen Ausdruck, oder?

Ich will hier nun beileibe nicht dazu auffordern, alle Gefühle unkontrolliert auszuleben.

Gefühle achtsam wahrnehmen

Aber – im eigenen Interesse – soll die Achtsamkeit auf die Gefühle geweckt werden, sie sollen wahrgenommen, erkannt und beachtet werden.

Das, was da in meinem Bauch grummelt ist Ärger – was ärgert mich denn da so? Kann ich diesen Ärger annehmen, ist er gerechtfertigt? Vielleicht als der Ausdruck, dass hier gegen meine Werte verstoßen wird? Eine interessante Darstellung dazu findet sich auf dem Psychosophieblog. Wenn ich den Ärger identifizieren und beachten kann, erspart mir das unter Umständen ein Magengeschwür oder einen Herzinfarkt.

Dieser Kloß in meinem Hals ist Trauer, was macht mich denn da so traurig? Ist es wirklich nur der Novembernebel, oder war da vielleicht doch mehr?

Vielleicht gelingt es uns dann sogar diese ’negativen‘ Gefühle als den notwendigen Gegenpol zu den ‚Positiven‘ zu betrachten. Glück und Freude erkenne ich erst dann intensiv, wenn ich auch Trauer und Ärger kenne.

Novemberbluesige Wahrnehmungsübung

kastanienbaum
Noch ziemlich grün und belaubt

Wie schon an den letzten Montagen, gibt es auch heute wieder eine kleine Wahrnehmungsübung. Diesmal ist es eine Phantasiereise: Ein Baum im Wechsel der Jahreszeiten.

Leg Dich bequem hin und schließe Deine Augen.

Stell Dir vor, Du bist ein Baum. Spüre Deine Wurzeln, wie sie sich immer feiner verästeln. Dein Stamm – ist er stark und fest oder eher biegsam und geschmeidig? Deine Äste verzweigen sich – zeigen sie nach oben oder sind sie elastisch-hängend wie bei einer Birke oder Weide?

Es ist Frühling, erste Blattknospen wachsen. Wie fühlt sich das an? Die Knospen brechen auf und die Blätter entfalten sich. Dein Laub wird immer dichter und grüner.

Es wird Sommer – dein dichtes Laub spendet Schatten und wird von der heißen Sonne beschienen. Achte auf Deine Wahrnehmung, verändert sich etwas? Wie fühlt es sich an?

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, Dein Laub fängt schon ganz langsam an, sich zu verfärben. Es wird heller, um dann im Herbst in voller Farbenpracht zu erstrahlen. Wie fühlt sich das jetzt an?

Die Blätter fallen ab, eins nach dem Anderen, ganz langsam oder auch sehr schnell. Es wird von Tag zu Tag kälter, die Sonne verliert ihre Kraft. Deine Blätter liegen auf dem Boden. Dort werden sie von der Erde aufgenommen, geben der Erde neue Kraft. Achte auch jetzt darauf, wie es sich anfühlt.

Es wird kälter, ganz kahl stehst Du da, als der erste Schnee fällt und Deine Äste und Zweige bedeckt. Der Winter ist da.

Wie geht es Dir?

Langsam werden die Tage wieder länger, ganz langsam erwachst Du und fängst an neue Blattknospen zu bilden. Es wird Frühling…

Achte auf Deine Empfindungen, auf Deine Gefühle in den einzelnen Jahreszeiten. Lass die Stimmungen noch ein bisschen nachwirken…..und dann öffne ganz langsam Deine Augen und kehre zurück ins Hier und Jetzt.

Wahrnehmungsstörungen, Entwicklungsverzögerungen…

Greif zu!

…sind nur zwei Indikationen, bei denen für Kinder das freie Malen förderlich sein kann.

Auch bei Sprachproblemen, Schlafstörungen, Ängsten, ADS/ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, körperlichen Handicaps und vielen anderen ist das Malen eine wertvolle Unterstützung zu den dann angewandten Therapien.

Warum? Auf der einen Seite fördert es die Integration der Hirnhälften. Auf der anderen Seite gibt es die Möglichkeit, im geschützen Malraum, Gefühle zu äußern. Frustrationen, die als Folge der ursprünglichen Störungen auftreten, können so verarbeitet werden. Durch die kritikfreie Atmosphäre gibt es Erfolgserlebnisse, die das Selbstbewusstsein stärken. Noch mehr Argumente dafür sind hier zu finden.

Das Malen ersetzt aber keineswegs eine Ergotherapie oder Logopädie und natürlich schon gleich gar nicht den Arztbesuch. Es kann aber diese Therapien verstärken und unterstützen. Generell schadet es bei keinem Kind.

Und wenn das Kind nicht gern malt? Gerade dann lohnt sich ein Schnupperbesuch im Atelier, denn durch die spezielle Atmosphäre und die anregenden Materialien finden die meisten Kinder doch Spaß daran.

Wahrnehmung wird in der Kunstgeschichte getäuscht

Auch in der Kunstgeschichte gibt es zahllose Beispiele von Künstlern, die sich die Täuschbarkeit der Wahrnehmung zu Nutze machten.

Salvador Dali hat das Gesicht der Mae West (kann als surrealistisches Lippensofa benutzt werden) oder auch den Sklavenmarkt am Strand (mit unsichtbarer Büste Voltaires) gemalt, um nur zwei Beispiele zu nennen.

M.C. Eschers Werk beruht zu einem großen Teil auf diesen Efekten, man denke nur an seine zeichnenden Hände oder an seine Kacheln. Auf der Fraktalwelt gibt es zu den Kacheln eine ausführliche Erläuterung, inklusive Anleitung, wie man selbst solche Werke erstellen kann.

Doch auch schon vor längerer Zeit gab es Künstler, die die Welt auf den Kopf stellten, wie Arcimboldo mit seinem Gemüsegärtner beweist, den man so oder so betrachten kann.

Ausgetrickst

Eine sehr gelungene Zusammenstellung von Telekolleg Beiträgen zur Wahrnehmung findet sich auf dem Psychosophieblog.

Im ersten Beitrag dort wird schon kurz aufgezeigt, was ich zum heutigen Schwerpunktthema machen wollte, das was landläufig gern als „optische Täuschungen“ bezeichnet wird.

Dieser Begriff wird dem eigentlichen Phänomen jedoch nicht gerecht, es ist nicht die Optik, die hier getäuscht wird, sondern genauer betrachtet die Wahrnehmung. Die Optik (das Auge) sendet unverändert die gleichen Signale ans Gehirn, dort entscheidet sich, was wir ’sehen‘ oder nicht. Was siehst Du?

Noch mehr solcher Beispiele gefällig? Bei Michael Bach gibt es jede Menge davon.

Malen heißt sehen lernen

Immer wieder, komme ich beim Malen an den Punkt, da stimmt irgendwas nicht auf dem Bild.

Aber was?

Ich kann es gar nicht genau lokalisieren, aber irgendetwas ist falsch, kann so nicht sein, verdirbt den Gesamteindruck.

Wie hilfreich ist dann eine Malbegleiterin, die als Außenstehende einen klareren Blick hat oder auch mal Modell steht, aber die ist ja nicht immer verfügbar.

Und wenn ich die Ursache dann gefunden habe, geht die Sucherei und Grübelei los.

„Wie muss das denn richtig aussehen? Mein Gedächtnis versagt, noch nie habe ich so genau darauf geachtet, wie denn nun ein Fuß aussieht, wenn jemand so in halber Schrittstellung auf einen zukommt. Auch die Logik und das Figurenkonstruieren hilft mir hier nicht weiter, alles was ich mache, sieht einfach nur falsch aus. 10 Bücher weiter dann die Erkenntnis, dass es wohl vielen anderen genauso geht, denn in dieser Haltung werden bei erstaunlich vielen Bildern, die Füße einfach außerhalb des Bildes gelassen. Auch eine Möglichkeit…
…warum eigentlich nicht?

Und nächstes Mal guck ich ganz genau, ganz sicher! ;)“

Ich schule beim Malen meine visuelle Wahrnehmung, nicht nur während des Malens selbst, das überträgt sich auch in den Alltag.

Genauer schauen, bewusster wahrnehmen, einen Anblick verinnerlichen.

Ich versuche die anderen Sinne zu aktivieren, wie fühlt sich der Rücken eines springenden Delfins an? Die Bewegung der Hand überträgt sich auf das Papier und ermöglicht es manchmal, eine Form, die rein visuell nicht vor meinem inneren Auge auftaucht, doch noch zu erkennen.

Und immer wieder begegnen mir kleine Wunder, die ich noch nie zuvor richtig wahrgenommen habe – wie sehen eigentlich die Beine eines Marienkäfers aus? Wie lang ist der Hals einer Giraffe denn nun? Wie verfärbt sich eigentlich so ein Herbstblatt?

Ich sehe die Welt mit anderen Augen…