Freispruch für Mama!

Freispruch für Mama!

Ganz egal, was bei Kindern und Jugendlichen schiefläuft, immer gibt es kritische und vor allem selbstkritische Blicke auf die Eltern, speziell die Mütter.

Trennungskind? Na kein Wunder, wenn der kifft!
Berufstätige Mutter? Ganz klar, dass der Junior über Tische und Bänke geht!
Die Kleine ist total verschüchtert und kriegt den Mund nicht auf? Ja, wenn die auch so begluckt wird…

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Für jedes abweichende Verhalten eines Kindes, lässt sich mit Sicherheit auch der passende Erziehungsfehler finden.
Was hier in der überspitzten Darstellung vielleicht noch zum Schmunzeln verführt, wird schnell ganz bitter. Besonders, wenn es nicht mehr um ‚Lappalien‘ geht:

Wenn das Kind in die Drogenabhängigkeit abrutscht und – wie gerade kürzlich Amy Winehouse – womöglich gar daran stirbt, oder es im Drogenrausch großen Schaden anrichtet, dann setzt bei Eltern vermutlich die Gedankenspirale „was haben wir nur falsch gemacht?“ ein.
Im Umfeld sind die entsprechenden Erziehungsfehler schnell ausgemacht. Die Reaktionen reichen von „zu streng!“ – „zu nachgiebig!“ – „zu wenig / zu viel Aufmerksamkeit!“ bis hin zum „eine Tracht Prügel zur rechten Zeit hat noch niemandem geschadet!“.

Doch in den meisten Fällen wird damit den Eltern Unrecht getan, bzw. tun sie sich selbst Unrecht.
Sicherlich gibt es Ausnahmefälle, in denen eine nicht vorhandene oder viel zu rigide Erziehung ganz maßgeblich dazu beitragen, dass Kinder beispielsweise zu Drogen greifen.
Aber selbst dann – und natürlich auch im Regelfall einer ’normalen‘ Erziehung – spielen viele Faktoren zusammen, die alle dazugehören, dass sich eine solche Störung entwickelt.

Als ein Beispiel möchte ich hier die Alkoholkrankheit anführen, über die Prof. Dr. med. Volker Faust schreibt:

Welches sind die wichtigsten Ursachen einer Alkoholkrankheit?

Als Ursachen der Alkoholkrankheit werden verschiedene Bedingungen diskutiert: Vererbung oder zumindest Disposition (Neigung), Stoffwechselbesonderheiten, psychologische Theorien (Persönlichkeits-, Lern- und psychodynamische Theorien), ferner familiäre, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte, Sozialschicht und Beruf usw.
Wahrscheinlich gibt es aber keine Einzelursachen, sondern nur unglückselige Belastungs-Kombinationen mit individuellem Schwerpunkt (und damit letztlich so viele Ursachen wie Betroffene, sagt man). Weitere Einzelheiten siehe Fachliteratur.

Quelle: http://www.psychosoziale-gesundheit.net/seele/alkohol.html
Ähnliches gilt für andere Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten.

Langer Rede kurzer Sinn – Eltern und Angehörige von Suchtkranken sind in einer schweren Position.

Vorwürfe sind darin keineswegs hilfreich!

Selbstzerfleischung noch viel weniger!

Echte Hilfe gibt es auch für Angehörige bei Suchtberatungseinrichtungen, Selbsthilfegruppen und Therapeuten!

Bitte scheuen Sie sich als Betroffene nicht, die in Anspruch zu nehmen, so wie Sie es bei jeder anderen Erkrankung auch machen würden.

Lesung „Treppe in die Dunkelheit“ in FT am 11.11.10

Am Donnerstag, 11.11.10 um 18:00 Uhr findet eine Lesung, Vortrag und Fragerunde zum Thema Sucht von Steffen Flügler, Autor des hier schon mehrfach erwähnten und noch immer empfehlenswerten Buches „Treppe in die Dunkelheit“ im Kunsthaus in Frankenthal statt.

Nähere Infos zur Lesung gibt es hier.

Wer an diesem Termin nicht kann oder zu weit weg wohnt und das Buch noch nicht kennen sollte oder es an Freunde, Mama, Papa, Opa oder Oma verschenken möchte, kann es gleich hier bei Amazon bestellen.

Treppe in die Dunkelheit – Nachlese der Lesung

Schon mehrfach war das Buch „Treppe in die Dunkelheit“ des Speyerer Autors Steffen Flügler hier in meinem Blog Thema. Am Montag hatte ich die Gelegenheit bei der Autorenlesung im Jugendtreff Großniedesheim dabei zu sein.

Im Anschluss an die gut besuchte Lesung ergaben sich in der Fragerunde ein paar ganz interessante Aspekte zur Abhängigkeit.

Die schwierig, wenn nicht unmöglich zu beantwortende Frage „wer hätte es verhindern können?“ zeigt, dass es eigentlich schon zu spät ist, wenn Jugendliche im Konsum drinstecken.  Dann greift der Mechanismus von Selbstbetrug und Verharmlosung („Bei mir ist das ganz anders“), die Jugendlichen sind kaum noch erreichbar. Prävention muss ganz früh ansetzen und schon Kindern Erfolgserlebnisse und gute Gefühle durch eigenes Tun vermitteln.

„Woher kam das Geld, um die Sucht zu finanzieren?“ – „Es findet sich immer ein Weg“ war Flüglers Antwort. Entweder wird im sozialen Umfeld Geld geliehen, das Netzwerk der Co-Abhängigen ausgenutzt oder, wenn diese Quellen versiegen, über ‚Geschäftchen‘ dafür gesorgt, dass der notwendige Nachschub irgendwie finanziert werden kann. Auch Diebstahl gehörte zu den Beschaffungswegen und der im Vortrag erwähnte Gefängnisaufenthalt wurde auf Nachfrage näher geschildert und so der Irrglauben, dass Gefängnis bedeutet, keine Drogen erhalten zu können, ausgeräumt. Im Gegenteil, einige Mitinsassen haben dort erst mit Heroinkonsum begonnen.

Flügler sieht die Tendenz, dass immer jüngere Jugendliche immer hochprozentigeren Alkohol zu sich nehmen mit großer Besorgnis und prophezeit ein starkes Ansteigen der Problematik. „Damals war ich als 12-jähriger noch eine absolute Ausnahme, heute sind ganze Gruppen von Kindern in den Parks zu beobachten.“ Auch das „Vorglühen“ vor Partys oder Festen ist ein relativ neues Phänomen, von anwesenden Jugendlichen als relativ normal und harmlos betrachtet, die Erwachsenen lässt es eher ratlos zurück. Ein Patentrezept dagegen gibt es nicht.

Die Antwort auf die Publikumsfrage „Hat man dann noch Werte?“ zeigt, dass in der Sucht der größte Teil der ethischen Werte auf der Strecke bleibt, Lügen, Betrügen und Ausnutzen alltäglich werden.

Als Nachwirkungen und Folgen werden neben körperlichen Problemen mit Magen und Leber auch die psychischen Auswirkungen deutlich. Das Trauma des kalten Entzugs wirkt sich noch immer mit Alpträumen aus, ist aber auch so stark im Bewusstsein, dass es einen möglichen Rückfall verhindert.

Treppe in die Dunkelheit: Eine Suchtgeschichte bei Amazon bestellen

Der Veränderungsturbo Teil 1: Wer kann etwas ändern?

Ich kann es ändern

Es klingt zwar selbstverständlich, aber wenn wir die Veränderungsbremsen betrachten, zeigt sich schnell, dass es das nicht ist. Ich und nur ich kann mein Verhalten ändern. Damit erzwinge ich eine Änderung auch bei meinen Mitmenschen. Ihr Verhalten kann ich nur und ausschließlich auf diesem Weg beeinflussen.

Hör also auf, Deine Energie darauf zu verschwenden, wie sich der Rest der Welt verhalten müsste, damit es Dir besser geht und konzentriere Dich auf das, was Du dafür tun kannst.

Aber was kann ich denn tun, wenn die Lehrer langweiligen Unterricht machen?

Du kannst Dich selbst mit dem Thema beschäftigen und interessante Aspekte daran suchen. Dann wird auch der Unterricht interessanter.

Aber was kann ich denn tun, wenn die Kollegen sich fies verhalten?

Du kannst ihnen Grenzen setzen – ich gebe zu, das ist nicht einfach, wenn man es nie gelernt hat.

Aber was kann ich tun, in einer Situation, die einfach nicht lösbar ist?

Du kannst Deine Sicht darauf verändern, auch das ist nicht leicht.

Und wenn ich es selbst nicht kann?

Dann kannst Du Dir Hilfe dabei holen. Hilfe, die Dir dabei hilft, es selbst zu tun. Manchmal genügt eine Anregung von außen und hilft dabei, eine neue Sichtweise zu gewinnen. In anderen Fällen kann eine längerfristige Unterstützung durch einen Coach, einen Psychologen oder natürlich durch therapeutisches Malen hilfreich sein.

Und wie finde ich Hilfe für mein Problem?

Hier ist eine umfangreiche Auflistung von Hilfsangeboten im Bereich Familie und Soziales. Die genauen Stellen findest Du, wenn Du dann nach dem Angebot und Deinem Wohnort suchst.

Spezielle Angebote für Schwangere gibt es beispielsweise bei der Bundesstiftung für Mutter und Kind.

Wenn Du Unterstützung bei der Pflege oder Versorgung dementer Angehöriger brauchst, sind neben den örtlichen Beratungs- und Koordinierungsstellen oder den Pflegediensten auch die Alzheimer Gesellschaft ein möglicher Anlaufpunkt.

Mobbingopfer finden hier jede Menge Informationen, überwiegend zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz, speziell zum Thema Mobbing in der Schule gibt es auch diesen Anlaufpunkt .

Bei Depressionen gibt es eine Liste an Anlaufstellen und hier wird zuoberst die Telefonseelsorge mit den bundesweiten Rufnummern aufgeführt, die aber auch für alle anderen Probleme ein guter erster Ansprechpartner ist:
Tel: 0800 – 111 0 111 (24 Std/Tag, gebührenfrei, evangelisch)
Tel: 0800 – 111 0 222 (24 Std/Tag, gebührenfrei, katholisch)
Tel: 0800 – 111 0 333 (für Kinder und Jugendliche, gebührenfrei, Mo-Fr 14:00 – 19:00)
Tel: 0800 – 111 0 550 (für Eltern, gebührenfrei, Mo/Mi: 9:00 – 11:00 Uhr, Di/Do: 17:00 – 19:00)
Zur Onlinesucht gibt es mittlerweile auch eine ganze Reihe an Hilfsangeboten.

Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt es eine Suchmöglichkeit nach Drogenberatungsstellen und eine Seite, die sich speziell an Jugendliche richtet.

Messies (desorganisierte Menschen) finden hier eine Anlaufstelle.

Möglichkeiten, wenn Du allein nicht weiterkommst, gibt es also jede Menge, in Anspruch nehmen musst Du sie selbst.

Und das bedeutet in der Regel auch, zumindest dort anzurufen oder hinzumailen.

Wenn Du für Dein Problem keinen Anlaufpunkt findest, dann mail mich an, ich helfe bei der Suche.

Doch es gibt auch eine ganze Reihe von Veränderungen, die wir allein schaffen können, mehr dazu gibt es in den nächsten Tagen.

Kinder und Alkohol – erschreckende Fakten

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Hilft nicht weiter!

Ich war mir lange nicht sicher, ob da nicht einfach nur ein Thema durch die Medien hochgepuscht wird. Flatratesaufen mit tödlichen Folgen – erschreckende Einzelfälle, die erfolgreich ausgeschlachtet werden? Oder gibt es wirklich einen Anstieg des Problems?

Ein Artikel in der Welt online aus dem November 2009 spricht von einer Verdoppelung der Krankenhauseinlieferungen in drei Jahren in einer Klinik in Hamburg.

Das statistische Bundesamt belegt bundesweit deutlich steigende Fallzahlen:

Wurden in 2000 noch 2.194 Kinder zwischen 10 und 15 Jahren mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert, waren es in dieser Altersgruppe im Jahr 2008 4.512, also mehr als doppelt so viele. In der Altersgruppe zwischen 15 und 20 Jahren stiegen die Zahlen im gleichen Zeitraum gar von 7.320 auf 21.197, was fast eine Verdreifachung darstellt.

Das Bundesministerium für Gesundheit bestätigt diese Tendenz und lässt ihre Drogenbeauftragte, Mechthild Dyckmans, sich folgendermaßen äußern:

„25.700 volltrunkene Kinder und Jugendliche in der Notaufnahme sind der traurige Rekord der letzten zehn Jahre. Noch nie betrank sich eine so große Zahl von Kindern und Jugendlichen derart hemmungslos. Gegen das Rauschtrinken dieser ständig wachsenden Gruppe von Kindern und Jugendlichen muss mehr getan werden.“

„Besondere Sorgen bereiten mir die 4.500 Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren, welche aufgrund einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden mussten. Auch in dieser sehr jungen Gruppe ist die Zahl der Alkoholvergiftungen um 19 % angestiegen (von 3.800 auf 4.500). Eine erschreckende Entwicklung ist der erneute Anstieg bei den 10- bis 15-Jährigen Mädchen von 1.900 auf 2.400. In dieser Teilgruppe stiegen die Alkoholvergiftungen mit 22 % im Vergleich zum Vorjahr am stärksten an. Besorgniserregend ist, dass die Zahl der 10- bis 15-Jährigen volltrunkenen Mädchen jene der Jungen bereits zum zweiten Mal übertraf (2.400 vs. 2.100).“

„Diese Kinder und Jugendlichen stellen zwar eine ständig wachsende, aber dennoch nur eine Minderheit unter den Kindern und Jugendlichen dar. Insgesamt ging der regelmäßige Alkoholkonsum unter Jugendlichen in den vergangenen Jahren zurück. „

Nun stellte sich mir die Frage, ob es ähnlich zu betrachten ist, wie sich ein Kommentator zum Welt Artikel äußert:

früher haben die Kinder ihren Rausch zu Hause ausgeschlafen. Damals waren es die Leute die sich heute darüber aufregen.

Ich erinnere mich noch gut daran, dass auch in meinen Teenietagen auf Partys Alkohol durchaus eine Rolle spielte. Da wurde in der Altersklasse um die 16 Jahre auch mal ordentlich über den Durst getrunken bis hin zum Erbrechen. Die Getränke waren aber in erster Linie Wein, Bier oder Sekt, gern gemischt mit Cola oder Limo. Alkopops waren noch ein Fremdwort und Wodka spielte damals, zumindest in meiner Umgebung überhaupt keine Rolle. Es gab einige wenige, die schon früh mit dem Trinken begonnen hatten und bis zu dem Alter dann auch schon anderes komsumierten.

Also Entwarnung?

Früher war es auch nicht anders?

Ich fürchte nein. Erschreckend ist auf jeden Fall, dass immer früher hochprozentiger Alkohol ins Spiel kommt. Zu einem Zeitpunkt, an dem der kindliche Körper das noch gar nicht wegstecken kann. Alkopops und Wodka mit Brausepulver, das war vor 25 Jahren (zumindest soweit ich es damals mitbekommen habe) überhaupt kein Thema.
„Trinken bis der Arzt kommt“ heißt eine hochinteressante Reportage des ZDF zu diesem Thema, die immer mal wieder im TV ausgestrahlt wird und ansonsten auch sicher in den gängigen Videoportalen zu finden ist.