Kreativität kann einfach zulassen sein
Nichts wirklich Wildes, aber die Buntstifte wollten unbedingt mal wieder zum Einsatz kommen und es hat Spaß gemacht. Aus kleinen Kreisen in gelb heraus, hat sich das einfach weiterentwickelt, ganz ohne Plan.
Sabine Feickert – Atelier für begleitetes Malen
Nichts wirklich Wildes, aber die Buntstifte wollten unbedingt mal wieder zum Einsatz kommen und es hat Spaß gemacht. Aus kleinen Kreisen in gelb heraus, hat sich das einfach weiterentwickelt, ganz ohne Plan.
… so war ich am Dienstag drauf. Obwohl ich es ja mittlerweile eigentlich können sollte, passiert mir das gelegentlich immer noch. Zu viele eigene Ziele und Vorhaben, selbstgemachter Zeitdruck, alles noch ’schnellschnell’…
Dies noch fertig machen, jenes noch fertig kriegen, einen lang verschobenen Termin wahrnehmen usw. – kurz, das volle Programm.
Nach dem lang verschobenen Termin dann noch die letzte Specksteinwerkstatt diesen Jahres und hurra, mir blieb dabei die Gelegenheit selbst einen Stein zu bearbeiten. „Wie praktisch, jetzt kann ich noch ein Geschenk für einen lieben Mitmenschen anfertigen! Mal wieder zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen“ ging mir noch durch den Kopf.
Ich schaute mir die Steine an, nahm verschiedene in die Hand und befühlte sie. Ich wurde ruhiger, gelassener. Einer der Stein sprach mich an und ich sah in ihm sehr schnell etwas, das aus dem Stein hervorgeholt werden wollte. Es war ein hellbrauner Stein, nicht ganz faustgroß. Einer von der weichen Sorte, der sich ganz leicht bearbeiten lässt. Er fühlt sich sandig, tonig an und ist sehr nachgiebig und gutmütig.
In eineinhalb Stunden war er komplett fertig bearbeitet – es war gar nicht viel zu tun. Mit jedem Raspeln, Feilen und schmirgeln wurde ich ruhiger, verlor die Anspannung, kam zu mir.
Am Tag drauf ölte ich den Stein mehrmals, denn diese hellbraunen Steine lassen sich nicht so glatt polieren wie andere. Sie nehmen durch ihre sandige Struktur sehr viel Öl auf. Immer wieder wollen sie nachgeölt werden, bis sie schließlich gesättigt sind.
Ich überdachte meine Zeitvorgaben, strich mein Programm ganz radikal zusammen. Unrealistische Ziele bekamen neue Termine. Ich holte mir Unterstützung und konnte so die wichtigsten Aufgaben sehr viel schneller erledigen, als ich es vorher gedacht hatte. Es blieb mir sogar noch Zeit (ich hab sie mir einfach genommen), um mit meinem Sohn unterwegs eine Kleinigkeit zu essen, mich dabei mit ihm zu unterhalten. Der Weihnachtsbaumkauf war dann im zweiten Anlauf ein richtig nettes Erlebnis – ein supernetter Weihnachtsbaumverkäufer präsentierte uns ‚unser‘ Bäumchen (im Topf) – alles passte auf Anhieb, sogar der Preis ;).
Viel früher als gehofft, war ich zu Hause und hatte alles Nötige erledigt. Mir blieb noch Zeit für einen ausgiebigen, gemütlichen Kaffee und ein sehr ausführliches, wohltuendes Gespräch mit einer guten Freundin.
Am Abend räumte ich die Baustelle, die ich eigentlich noch vor Weihnachten fertig kriegen wollte auf, packte das Werkzeug beiseite und machte den Bereich so einigermaßen sauber. Nach Weihnachten ist auch noch Zeit dafür…
Als ich heute morgen dann meinen Speckstein in die Hand nahm und betrachtete, um zu sehen, ob er noch mehr Öl braucht, musste ich dann doch lachen – erst heute ist mir so wirklich bewusst geworden, was sich da in diesem Stein versteckt hatte, nämlich genau das, was ich am Dienstag gebraucht habe:
In dem Buch „Die Kunst der Wahrnehmung“ von John O. Stevens gibt es eine sehr schöne Wahrnehmungsübung, eigentlich sogar eher eine Phantasiereise, die ich hier ganz frei und sehr stark verkürzt nacherzähle.
Dafür legt man sich bequem auf dem Boden oder auf eine feste Unterlage und spürt mit dem Körper den Bodenkontakt. Zunächst steht die Körperwahrnehmung im Vordergrund um Verspannungen aufzuspüren und zu lösen. Nach dieser Phase des Ruhe und Kontaktfindens, beginnt das „Rosenbusch sein“.
Wenn du ein Rosenbusch bist, dann steht dieser Rosenbusch…
Wie ist dein Wuchs und wie sind deine Blüten?…
Deine Wurzeln sind in der Erde verankert, spüre den Wurzeln nach, wie fühlt es sich an?…
Wie geht es Dir, dem Rosenbusch, im Wechsel der Jahreszeiten?….
…
In Stevens‘ Buch sind Niederschriften von Gesprächen während dieser Übung zwischen dem Leiter und Teilnehmern enthalten, es ist ganz erstaunlich, wie unterschiedlich diese Rosenbüsche doch alle sind.
Doch nicht nur Rosenbüsche bietet John O. Stevens in seinem Buch. Es ist eine reichhaltige Fundgrube an Übungen aus der Gestalttherapie. Wahrnehmungsübungen in unterschiedlichen Formen füllen das erste Kapitel. Kommunikation mit sich selbst und mit anderen sind weitere Themengebiete. „Die Vergangenheit vergangen sein lassen“ oder „Ich muss – Ich entscheide mich für“ sind sicherlich Themen, die fast jeder immer wieder im Gespräch mit sich selbst aufgreifen sollte.
„Phantasiereisen“ sind ein weiteres weites Feld: „Baumstumpf, Hütte, Fluss“, „Eine Statue, die Sie selbst darstellt“ oder „Ein Phantasie-Gefährte“ nennen sie sich zum Beispiel. Auch „Übungen zu Zweit“ und speziell für Paare füllen „Die Kunst der Wahrnehmung“. Im noch größeren Rahmen bewegen sich Gruppenübungen wie „Probe und Lampenfieber“ oder „Roboter – Dorfdepp“.
Das Kapitel „Bild, Bewegung und Klang“ enthält Übungen, die kreative Mittel nutzen. „Mit beiden Händen zeichnen“, „sich selbst zeichnen“ oder auch ein „Dialog im Zeichnen“ sind für alle geeignet, die gern Papier und Farbe nutzen. Körperwahrnehmung und Bewegung stehen bei „Atmen in den Körper hinein“ oder „Den Boden fühlen“ im Blickpunkt.
Alle Übungen sind knapp aber anschaulich beschrieben und lassen sich gut in die Praxis umsetzen.