Aller Anfang ist leicht

malen1Gerade erwachsenen Malenden fällt es oft schwer, den Anfang zu finden.
Deshalb gibt es für Erwachsene beim begleiteten Malen verschiedene Möglichkeiten, Bilder zu beginnen:

Eigene Idee / Vorstellung:
Der Malende hat schon eine Idee, was er malen möchte. Prima, fang bitte in der Mitte des Blattes an damit.

Einstieg über Assoziation zu einer Farbe:
Welche Farbe spricht Dich besonders an? Was fällt Dir zu dieser Farbe ein? Was hat diese Farbe? Kennst Du das irgendwo her?

Oder auch:

Welche Farbe spricht Dich denn gar nicht an? Was fällt Dir dazu ein? Woher kennst Du diese Farbe?

Einstieg über eine Spur:
Mit einer ausgewählten Farbe wird mit geschlossenen Augen(ev. auch mit der ungeübten Hand) eine Farbspur auf Papier gebracht. Das, was in dieser Spur erkannt wird, wird ausgearbeitet.
Beim ersten Mal sollte das Bild möglichst nicht mit einer Spur begonnen werden, denn das erfordert ein hohes Abstraktionsvermögen und überfordert in den meisten Fällen die Malenden.
Wird ein Bild mit einer Spur begonnen, so soll die erste spontane Idee ausgearbeitet werden, ganz egal wie banal oder blöd sie vielleicht ist. Es ist möglich die Ausarbeitung mit einer anderen Farbe zu machen. Die Größe und die Form der Spur soll nicht verändert werden.

Einstieg über Farbklecks:
Es wird mit einen Klecks in einer ausgesuchten Farbe begonnen, der wachsen darf, bis die Malende etwas darin erkennt / damit assoziiert.

Der Einstieg über eine Spur und über den Farbklecks sollte nur mit Malenden gemacht werden, die bereits mit dem begleiteten Malen vertraut sind. Gerade diese Methoden lassen sehr stark die „inneren Bilder“ aufs Papier und können sehr wirksame Bilder hervorbringen. Bilder, die die Malenden in ihrer persönlichen Entwicklung weiterbringen. Bilder, die unter Umständen auch schmerzhaft sein können. Oder befreiend.

Begleitetes Malen, was ist das eigentlich?

Das Begleitete Malen ist eine Form der Kunsttherapie oder auch eine Methode zur Persönlichkeitsentwicklung. Es wurde von der Schweizerin Bettina Egger begründet, als eine Weiterentwicklung des Ausdrucksmalens nach Arno Stern.

Wie geht das vor sich?

Gemalt wird in einem Atelier als eine Art Schutzraum. Der Raum ist fensterlos,  damit es möglichst keine Ablenkung von außen gibt. Das Papier wird an den Wänden aufgehängt, in der Mitte des Raums stehen Palettentische.

begleitetes malen
Das Bild wird zum Gegenüber

Es wird mit Gouache- oder Temperafarben gemalt, entweder mit Pinseln oder mit den Fingern. Das Bild wird in der Mitte begonnen und flächig nach außen gemalt, es werden keine Konturen oder Begrenzungen vorgegeben, das Motiv entwickelt sich beim Malen.

Das Motiv?

Es werden Metaphern gemalt in realistischer, gegenständlicher Darstellung.

Das Malen findet in einer Gruppe statt, begleitet von der Malleiterin (Therapeutin).

Im Mittelpunkt steht die Arbeit am Bild. Das Bild wird nicht interpretiert, sondern bleibt stehen, wie es ist.

Und was ist daran jetzt Therapie?

Entscheidend ist nicht das Bild als Ergebnis, sondern der Weg auf dem es zu diesem Bild kommt. Es geht nicht darum, etwas Schönes oder Künstlerisches zu malen, sondern um den Malprozess als solchen. In diesem Malprozess finden ‚innere Bilder‘ ihren Weg aufs Papier, oftmals erzählen diese Bilder dem Malenden eigene Geschichten (auch dazu später mehr). Durch das Begleiten gibt es auch die Möglichkeit, ganz anders, als gewohnt vorzugehen, im Schutzraum des Ateliers. So kann z.B. ein eher zögerlicher Mensch ermutigt werden, beherzter draufloszumalen. Neue Verhaltensweisen lassen sich erproben und dann ins Alltagsleben übertragen. Das begleitete Malen dient auch der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung. Es hilft bei Entscheidungsfindung in schwierigen Situationen und um ganz allgemein klarer zu sehen.

Wie ich zur Therapeutenausbildung kam…

Vor einigen Jahren habe ich eine AG für Grundschüler geleitet, „Zeitreise durch die Kunstgeschichte“, in der ich mit den Kindern Bilder betrachtet und gemalt habe. Bei den Teilnehmern dieser AG waren auch zwei Jungen, deren Ergebnisse eigentlich immer ganz stark an 😉 Kuhfladen erinnert haben. Die beiden haben mit großer Leidenschaft die Temperafarben auf dem Blatt so ineinander verrührt, dass das Ergebnis jedesmal ein großer brauner Flecken in der Bildmitte geworden ist. Das aktuelle Thema war ihnen auch völlig gleichgültig, das Ergebnis war immer gleich.

Aber beim Farbenauftragen ist in den beiden ganz deutlich etwas vorgegangen – anscheinend für sie etwas sehr positives, denn sie waren jedesmal da und mit Begeisterung bei der Sache.
Eines Tages hatte ich Bilder zum Thema „Traumwesen“ dabei (Hieronymus Bosch, Dali u.ä.). Da war die Reaktion besonders stark, beide äußerten sich noch kurz, dass sie häufig Albträume hätten und malten dann sofort los wie die Wilden. Das Ergebnis waren besonders viele Kuhfladen *g* und 2 ganz gelöste, entspannte Jungs.
Es war spürbar, dass in ihnen etwas ganz Intensives vorgegangen sein muss beim Malen. Und ich muss ehrlich gestehen, ich hatte ein wenig Angst davor, dass etwas bei ihnen „ausbricht“, das ich nicht mehr ohne weiteres abfangen kann.

Dieses Erlebnis hat mich eigentlich zu der Therapeutenausbildung motiviert, ich wollte auf jeden Fall genug Rüstzeug erwerben, um mit starken, unter Umständen negativen Gefühlen der Malenden umgehen zu können.