…die Kinder entdecken es zumeist recht schnell – im Atelier gibt es goldene und silberne Farbe. Sie sind begeistert und verwenden es gern auch mal großflächig.
Die Erwachsenen tun sich damit schon schwerer. Gold und Silber (nebenbei bemerkt, es gibt auch rosa!) , das hat gleich so einen Touch von Kitsch, pfuibäh;).
Und gerade wenn nach einer Spur gemalt wird, dann fällt es uns Erwachsenen sehr schwer, wenn das, was wir da erkennen banal oder kitschig ist. Aber im begleiteten Malen darf genau das auch sein. Banales und Kitschiges. Nicht immer müssen die großen, ernsthaften Themen gemalt werden. Wenn uns danach ist und wir das erkennen, dann darf auch das Lebkuchenherz mit rosa Zuckerguß aufs Papier. Und uns vielleicht an eine unschuldige Jugendliebe erinnern. Oder an ein großes Liebesdrama. Oder die Dreizehnjährige in uns wecken, die voller überkochender Emotionen die erste Verliebtheit erlebt.
Gerade Gold und Silber bieten sich auch an, um besondere Wertschätzung auszudrücken. Ein glänzendes Schmuckstück, das wir unserem Selbstportrait umhängen, um uns selbst besonders zu würdigen.
Die Achse stellt die nächste Stufe der kindlichen Malentwicklung dar. Sie entwickelt die Wahrnehmung der Strukturen im Innern weiter. Nun entwickelt das Kind ein Gefühl für Symmetrie und Seitigkeit. Es beginnt das zu vergleichen, was es von außen wahrnimmt, mit dem, was es von innen kennt. In dieser Zeit fängt es an die Umwelt kennen zu lernen.
Die Achse, auf dem Umriss oder im Inneren des Körpers
Im Anschluß daran entdeckt das Kind mit dem Urkreuz die Orientierung seiner Innenwelt. Damit wird die Grundlage für die Orientierung im Raum geschaffen. Ein Gefühl für senkrecht – waagrecht, oben – unten, rechts – links entsteht. Das Urkreuz steht aufrecht im Raum. Diese Entwicklungsphase ist der Beginn des zielgerichteten Handelns.
Das Urkreuz
Mit den Pulspunkten wird es lebhaft. Sie drücken Bewegung und Leben aus. In der Körperwahrnehmung findet das Leben Ausdruck im Herzschlag, Puls und Atem. Pulspunkte werden rhythmisch und mit Geräusch gemalt.
Pock, pock, pock – Pulspunkte
Ein typisches Beispiel für Interpretationen von Kinderbildern ist die unorientierte Tastfigur. Zu verlockend ist es aber auch, darin eine Sonne zu sehen. Sie zeigt aber ganz allgemein auf, wie das Kind mit den ersten Schritten anfängt, sich die Umwelt zu erobern. Es geht weg, kommt zurück, um sich gleich darauf wieder zu entfernen. Die unorientierte Tastfigur zeigt uns dieses Lebensgefühl des Kindes.
Eine der Urformen, die unorientierte Tastfigur
Das Kind fängt nun an, sich im Raum zu orientieren. Es stellt nun fest, dass seine Wünsche nicht immer denen der Mutter entsprechen. Es beginnt die Mutter eindeutig der Umwelt zu zurechnen und entwickelt und äußert den eigenen Willen. Ausdruck dieser Befindlichkeit ist die gerichtete Tastfigur.
Gibt man einem Kind zum ersten Mal einen Stift in die Hand, fängt es schnell an loszukritzeln. Es entdeckt, dass es mit dem Stift, Spuren auf dem Papier hinterlässt.
Kritzelknäuel
Diese entsprechen den noch ziemlich ziellosen Bewegungen des Neugeborenen. So wie das neugeborene Kind noch keine räumliche Orientierung hat und sich seiner Körpergrenzen noch nicht bewusst ist, sind auch die Kritzellinien noch diffus und ungerichtet. Sie verdichten sich aber in kurzer Zeit zu Knäueln. In der nächsten Stufe fängt das Kind an, sich als eigenständiges Wesen wahrzunehmen. Es entwickelt eine Richtung und fängt an Ich und Umgebung zu unterscheiden. Es beginnt, sich von der Mutter loszulösen.
Spirale
In der Malentwicklung wird diese Entwicklung mit der Spirale wiedergegeben. Wir Erwachsenen sind spätestens jetzt in der Versuchung, Gegenstände in diese Bilder hineinzuinterpretieren, erinnert uns doch die Spirale vielleicht an ein Schneckenhaus. Damit werden wir aber der kindlichen Bildersprache nicht gerecht. Diese Urformen geben vielmehr die Wahrnehmung, insbesondere die Körperwahrnehmung der Kinder wider.
Die endgültige Entdeckung, dass der Körper eine Grenze hat und Ich ein eigenes Wesen bin, bildet der Kreis. Es gibt eine Innenwelt und eine Außenwelt.
Kreis
Dieser Entdeckung folgt die Erkenntnis, dass die Innenwelt über Strukturen verfügt. Der Bauch und insbesondere der Nabel wird als Zentrum dieser Innenwelt entdeckt.
Überall auf der Welt läuft die Malentwicklung der Kinder in einer gleichen Reihenfolge ab. Ganz egal ob Inuit oder Tuareg, gibt man Kindern ein Möglichkeit zu malen, werden sie überall auf der Welt bei den gleichen Urformen landen.
Arno Stern bereiste Mitte der 60ger, Anfang der 70ger Jahre Länder, die damals noch weitgehend unbeeinflußt von der Zivilisation waren (Guatemala und Papua-Neuguinea, Afghanistan und Peru, Äthiopien und Niger). Er lies Kinder malen, die noch nie zuvor Farbe und Papier hatten. Und er stellte fest, dass diese Kinder die gleichen Grundstrukturen malten, wie die Kinder in Paris. Wer mehr über Arno Sterns Hintergrund und seine Forschungsreisen erfahren möchte, findet in diesem Spiegel-Artikel Informationen dazu.
Das was in dem Artikel als Erstfiguren bezeichnet wird, wird von Helen Bachmann und Bettina Egger als „Urformen“ weiteruntersucht. Helen Bachmann wagt es, die Verbindung herzustellen, zwischen den Urformen und der kindlichen Individuation. Sie entdeckt dabei Parallelen zwischen den ungelenkten Bewegungen des Neugeborenen und den Kritzelknäueln, der ersten Urform, die aufs Papier gebracht wird. In ihrem Buch „Malen als Lebensspur“ beschreibt sie diese Urformen und die Entsprechungen in der Entwicklung ausführlichst.
Einen kurzgefassten Überblick darüber welche Urformen es gibt werde ich hier in den nächsten Tagen veröffentlichen.
Bei mir im Atelier werden die Bilder gewürdigt, aber nicht gelobt.
Das hört sich erstmal ganz schön sonderbar an, hat aber durchaus seinen Sinn.
Wird ein Bild besonders gelobt, zumeist ja für ein positives Motiv, versucht das Kind immer mehr dieser „schönen Bilder“ zu produzieren. Die Themenwahl wird dadurch eingeschränkt. Es traut sich nicht (mehr) auch Bilder zu malen, die keinen schönen Inhalt haben.
Gerade für solche Bilder soll aber das Atelier den Raum geben, auch die unschönen Seiten des Kinderlebens dürfen hier aufs Papier.
Darüber hinaus wird eine Erwartungshaltung aufgebaut, das Kind lauert regelrecht auf mein nächstes Lob. Bleibt das aus, so erfolgt der Umkehrschluß „mein Bild ist nicht gut“.
Anstatt mit einem Lob in der Form: „Das ist aber schön geworden!“, wird mit einer Aussage wie „das war ganz schön viel Arbeit!“ oder „da hast du dich aber sehr angestrengt!“ das Tun des Kindes anerkannt.
Wie wirkt das Bild auf mich?
Auch hilfreich sind Aussagen darüber, wie das Bild auf mich wirkt: „Das macht mich richtig fröhlich!“ oder auch „das macht mir Angst!“. Das beschreibt nur meine Gefühle. Die des Kindes dürfen und können völlig anders sein. Hat es beispielsweise ein beeindruckendes Monster gemalt, darf ich sagen „das macht mir richtig Angst“. Für das Kind kann dieses Monster dabei dann doch ein hilfreiches Wesen sein: „Gell, der sieht gefährlich aus, der passt in der Nacht auf mich auf, dass mir niemand was tut! Ich habe einen Beschützer, der sogar Dir Angst macht“.
Gerade in Gruppen ist darauf zu achten, dass die Kinder ihre Bilder auch nicht gegenseitig in der oben beschriebenen Form loben oder kritisieren.
Die Bilder bleiben im MalAtelier und werden den abholenden Eltern nicht gezeigt. Erst zum Abschluss eines Kurses, trifft das Kind, das die Bilder gemalt hat, die Auswahl, welche davon es mit nach Hause nehmen möchte.
So können die Kinder im geschützten Rahmen auch Themen bearbeiten, die sie beschäftigen, die aber nicht als schön im landläufigen Sinn gelten. Ob nun Eifersucht auf ein Geschwister, Trennungsängste, Trauer, Mobbing oder Einsamkeit: Die Palette der kindlichen Themen ist breit und sollte ihren geschützten Raum erhalten.
Malen und kreatives Gestalten sind ein wesentlicher Beitrag zur ganzheitlichen Förderung von Kindern und Jugendlichen. Besonders das begleitete Malen, aber auch freies Malen fördert viel mehr Kompetenzen, als auf den ersten Blick zu sehen sind.
Förderung der Fein- und Grobmotorik
Das große Papierformat an der Wand ermöglicht sowohl große, ausladende Bewegungen, als auch kleine und diffizile Ausführung von Details. So fördert es Grob- und Feinmotorik gleichermaßen.
Vollendung der natürlichen Malentwicklung
Die normale Malentwicklung von Kindern, wird durch Anforderungen in Elternhaus, KiTa und Schule unterbrochen. Das begleitete Malen oder freies Malen ganz ohne Vorgaben, gibt Kindern die Gelegenheit, diese Entwicklung fertigzustellen. Dabei entwickeln sie ihre eigene Darstellung von Räumlichkeit, die wichtig ist für die Vernetzung der beiden Hirnhälften.
Förderung von Stille und Konzentration
Im Malatelier stellt sich eine konzentrierte und ruhige Atmosphäre ein. Die Malleiterin stellt diese andernfalls her und achtet darauf, dass sie eingehalten wird. Auch unruhige Kinder werden an die Stille herangeführt und lernen diese zu ertragen und zu genießen.
Sprache und Kommunikation
Das Gespräch am Bild fördert die Kommunikationsfähigkeit. „Erzähl mir was über dein Bild!“ beinhaltet, dass das Kind eine Geschichte mit den erforderlichen Hintergründen vollständig vermittelt. Das Kind lernt, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen.
Beziehungen / soziale Kompetenzen
Durch das Arbeiten in der Gruppe mit begrenzt vorhandenem Material ist Rücksichtnahme und Absprache unverzichtbar. Es entsteht eine Beziehung zwischen den malenden Kindern untereinander und zur Malleiterin.
Hilf mir es selbst zu tun!
Das Malen hilft dabei, eigene kreative Lösungen zu finden. Vermeintliche Fehler führen zu oft überraschenden Lösungen.
Kreative Lösungsansätze zur Verarbeitung schwieriger Lebenssituationen
In der Arbeit an den eigenen Bildern können schwierige und belastende Situationen auf Papier gebracht werden. So können Kinder ihre Probleme thematisieren und lösen.
Möglichkeit neue Verhaltensmuster auszuprobieren
Wir gehen davon aus, dass sich jemand beim Malen so verhält, wie auch im sonstigen Leben. Auf dem Papier können Kinder neue Verhaltensmuster spielerisch ausprobieren und einüben.
Unterstützung des Selbstwertgefühls
Die Würdigung der Leistungen und das direkte Erleben der eigenen produktiven Kreativität stärkt das Selbstwertgefühl der Kinder. Wow – dieses Bild habe ich selbst gemalt!
Eigene Aktivität statt passivem Konsum
Gerade im Medienzeitalter werden schon Kinder mit vorgegebenen Bildern überflutet. In Büchern, TV oder Computer/Spielkonsole ist die Bildsprache von Erwachsenen vorgegeben. Malen setzt eigene Bilder dagegen und bringt sie zum Ausdruck. Eine Bastelkiste kann mit wenig Aufwand selbst gemacht werden und sollte jedem Kind zur Verfügung stehen.
Kinder sollten möglichst oft die Gelegenheit erhalten, frei zu malen, ohne vorgegebene Motive oder Themen.
Ob nun im Malraum beim begleiteten Malen, in Kita, Schule oder zu Hause am Küchentisch, ein paar grundsätzliche Gesichtspunkte sollten wir im Gespräch mit den malenden Kindern berücksichtigen.
Gleich vorweg – die beliebte Frage „Was hast du denn da gemalt?“ sollte Tabu sein. Genau überlegt, signalisiert sie doch dem Kind „Ich kann nicht sehen, was das sein soll, du hast es nicht gut genug gemalt, ich kann es nicht erkennen!“. Dieses Problem ist in den Büchern von Rudolf und Marielle Seitz („Was hast du denn da gemalt?“ / „Kreative Kinder“) ausführlich besprochen.
Wenn das Kind fragt, was es malen soll, bietet es sich an mit einer Gegenfrage zu antworten „Was möchtest du denn malen?“ oder auch „Das was dir gerade einfällt!“
Sollte dann immer noch keine Idee da sein, kann beispielsweise nach der Lieblingsfarbe gefragt werden. Wenn auch dann noch keine Inspiration vorhanden ist, kann man weiter fragen, was denn diese Farbe hat, was ihm zu der Farbe einfällt.
Erzähl mir die Geschichte zu deinem Bild
Fängt ein Kind sofort an zu malen, kann man zunächst einmal beobachten. Wenn es wichtig ist zu wissen was gerade dargestellt wird, dann kann man fragen „Gibt es dazu eine Geschichte?“ oder „Erzähl mir die Geschichte dazu!“. Dabei ist aber auch unbedingt zu akzeptieren, wenn das Kind diese Geschichte nicht erzählen möchte. In dem Fall sollte weder nachgebohrt noch interpretiert werden.
Beim Malen selbst tauchen dann häufig Fragen oder auch Klagen auf, dass es irgendwas nicht malen könne. Auch hier helfen weitere Fragen dem Malenden, seine eigene Lösung zu finden.
Ein möglicher Beispieldialog wäre:
K: „Mal mir eine Katze, ich kann das nicht!“
E: „Was hat denn eine Katze alles?“
K: „Einen Kopf!“
E: „Dann fang mit dem Kopf an!“
Technische Hinweise sind nicht sinnvoll. Sowohl die Darstellung von Figuren, als auch die Perspektive sind Entwicklungsvorgänge, die vollständig durchlaufen werden müssen, damit ein Kind sie wirklich verinnerlicht. Genauso wie man Kinder mittlerweile nicht mehr auf die Füße stellt, wenn diese eigentlich krabbeln wollen und können, sollten sie auch beim Malen die Gelegenheit zur Entwicklung im eigenen Tempo erhalten.
Wie kann das Gespräch ablaufen?
Auf inhaltliche Aspekte darf durchaus eingegangen werden. Malt ein Kind beispielsweise ein Haus ohne Tür, so kann man mit einer offenen Frage darauf reagieren. „Hat das Haus keine Tür?“ Das bietet die Möglichkeit einer Erklärung, wenn sich die Tür beispielsweise auf der anderen Seite des Hauses befindet. Vielleicht wurde sie aber auch nur vergessen und kann mit diesem Hinweis noch eingefügt werden.
Sogenannte Setzungen motivieren zusätzlich: „Das macht dir Spaß!“. Stockt der Malprozess kann auch nachgefragt werden „Wie geht es weiter?“, „Was fehlt noch?“ oder auch „Kannst du das Bild so lassen?“. Gerade bei kleinen Kindern kann es auch notwendig sein, zu fragen, ob das Bild jetzt fertig ist und sie ein neues Blatt möchten. Ganz wichtig ist immer, dass das Sprechen über die Bilder echtes Interesse und Anerkennung zeigt. Denn nichts ist schlimmer, als ein pflichtbewusst dahingesagtes Lob.
Depressionen! Ein sehr schwieriges und heikles Thema wird hier kindgerecht und behutsam und doch umfassend dargestellt. Sonnige Traurigtage erzählt von Mona und Mona-Mama und den sonnigen und traurigen Tagen. Die traurigen Tage, an denen Mona-Mama so depressiv ist, dass sie sich nicht mehr um Mona kümmern kann. Mona versucht, mit allerlei kindlichen Lösungsansätzen, ihre Mama wieder gesund zu machen. Mit der Unterstützung von Monas Lehrerin gelingt es, Mona-Mama davon zu überzeugen, dass sie ärztliche Hilfe braucht und diese auch in Anspruch nimmt.
Monas Ängste und Bemühungen werden ganz liebevoll dargestellt und die Personen, die ihr im Buch helfen, erklären die Hintergründe psychischer Krankheiten. Ganz stark wird auf den Aspekt eingegangen, dass sich die Kinder Betroffener, die Schuld an der Erkrankung ihrer Eltern geben. Mona erfährt zu ihrer Erleichterung, dass nicht sie Mamas Traurigkeit verursacht hat und sie ihr auch nicht beim Gesundwerden helfen kann.
Ergänzt wird die Geschichte um einige Seiten mit Erläuterungen für Erwachsene, die den Kindern psychisch kranker Eltern als Bezugspersonen zur Seite stehen.