Und noch bunter – kleine Materialkunde

Das ist gut genug für Kinder – wie oft hört man das im Zusammenhang mit Mal- und Bastelmaterialien.
Bettina Egger schreibt in Faszination Malen: Praktisches, Erzieherisches, Anregendes
dazu:
„Das Gegenteil ist richtig. Besonders Kinder werden durch schlechtes, mangelhaftes Material schnell entmutigt, so sehr, dass sie das Malen ganz aufgeben. Während ein künstlerisch begabter Erwachsener mit einem Borstenpinsel, drei Pulverfarben und Zeitungsmakulaturpapier notfalls noch ein befriedigendes Resultat erzielen kann, muss das Kind aufgeben. Will es mit diesem Borstenpinsel eine Linie malen, so wird es das Nichtgelingen nicht dem ungeeigneten Borstenpinsel, sondern seiner eigenen Unfähigkeit zuschreiben. Es wird entmutigt und gibt auf.“

Soweit die fachliche Sicht. Als Mutter zweier sehr kreativer und produktiver Kinder kenne ich natürlich auch die andere Sicht – den Blick in den Geldbeutel.

Wir haben es immer so gehandhabt, dass es besondere „Malereignisse“ gab, unter meiner Aufsicht, bei denen wurde dann mit außergewöhnlichem und hochwertigem Material gearbeitet.

Bastelmaterial, das Kinder zur Verfügung haben sollten

Daneben gab es aber immer auch das Alltagsmaterial, über das die Kinder eigenständig verfügen konnten. Das war eine Kiste mit verschiedenen Papieren, da durften die Reste von gemeinsamen Bastelarbeiten zum Weiterverwerten rein, aber auch Prospekte, Kataloge, Briefpapier von nicht mehr exisitierenden Firmen. Daneben hatten sie vernünftige Bastelscheren zur Verfügung und die heißgeliebten Figurenstanzer. Ein Becher mit ordentlichen Filzstiften sowie eine Schachtel brauchbarer Buntstifte waren Standard. Immer verfügbar war Gummibärchenkleber, der nicht nur völlig ungiftig und billig ist, sondern auch noch über den Vorteil verfügt, dass er von Boden oder Möbeln abwaschbar ist.

Woran brauchbare Buntstifte zu erkennen sind? Sie haben relativ weiche Minen, die schon bei leichtem Druck einen gut farbigen Strich hinterlassen. Gerade für kleine Kinder bieten sich dabei die dicken Buntstifte an (entweder die gängigen Marken oder die von „Feinkost Albrecht“). Stifte, die beim Zeichnen kratzen oder nicht deutlich färben sind unbrauchbar, für Kinder und Erwachsene! Stifte, die ständig abbrechen sind ein Ärgernis, kein Material!

Bei den Filzstiften zahlt sich Qualität aus – nicht nur, dass die guten Exemplare (wir hatten Kinderfilzstifte von Edding) sich aus Kleidern auswaschen lassen, sie trocknen auch nicht so schnell aus. Besagte Markenstifte haben bei uns etliche Jahre gehalten und waren somit im Endeffekt günstiger als die billigen Großpackungen.

Bei Wachsmalkreiden habe ich große Qualitätsunterschiede festgestellt, wir hatten davon ein riesiges Sammelsurium aus ungeklärten Quellen (Altbestände aus der Verwandschaft, Beigaben aus diversen Kinderzeitschriften, usw.). Ein Teil davon roch schon derart eklig, dass ich irgendwann den ganzen Berg entsorgt habe. Stattdessen würde ich zu guten Ölkreiden raten, die kosten auch nicht die Welt.

Ab etwa 5 Jahren gehört noch unverzichtbar (nach Meinung der Kinder) Glitzerkleber dazu.

Anscheinend war diese Mischung gar nicht so falsch, denn noch heute malen und basteln meine Kinder ausgesprochen gern – mit jetzt 12 und fast 14 Jahren.

Hier ist eine Beispielzusammenstellung empfehlenswerter Materialien:

Jetzt wird’s bunt – Malen mit Kindern

Nach so viel Novembergrau schreit meine Seele geradezu nach Farben und was kann es Schöneres geben, als Kinder, die ihre Kreativität entdecken und ausleben dürfen.

Fangen wir mal ganz vorn an – ab wann kann man denn Kinder überhaupt malen lassen?

Mit meinen eigenen Kindern habe ich gemalt, ab dem Tag, an dem sie einen Stift halten und über Papier, bzw Stoff bewegen konnten. Optimal für diese Anfänge sind solche dicken Buntstifte* oder auch die Stockmar Wachsmalblöcke*. Unvergesslich ist mir der Augenblick, in dem sie entdecken, dass sie auf diese Art Spuren hinterlassen können.

Besondere Materialien für besondere Erlebnisse

Und schon sehr früh, durften sie auch auf anderen Materialien als Papier tätig werden. Ein unvergessenens Bild ist für mich, die Tochter mit zweieinviertel Jahren am kleinen Kindertisch stehend, der Sohn, gerade 9 Monate alt auf meinem Schoß und beide malen ganz begeistert Seidenkrawatten und -kissenbezüge als Weihnachtsgeschenke für die Verwandtschaft. Wir hatten dafür große Stifte, ähnlich wie Eddings, die mit Seidenfarbe gefüllt sind. Normale Striche hinterlassen eine Farbspur, den Stift auf die Seide gedrückt und die Farbe fließt. Und jedes altersgemäße Kritzelknäuel wird durch das Material zu einem beeindruckenden Kunstwerk.

Seidenkrawatten von Kindern bemalt

Diese speziellen Stifte sind wohl mittlerweile nicht mehr im Handel erhältlich, ich konnte sie zumindest online nirgends finden. Aber mit einem dicken Pinsel mit Spitze können etwas größere Kinder durchaus auch schon umgehen.

Gerade mit Seidenfarbe* lassen sich auch leicht ganz tolle Effekte erzielen. Grobkörniges Salz in die feuchte Farbe Seidenmalerei besonderer Effektgestreut und trocknen lassen, gibt wunderschöne Strukturen:bemalte seide besonderer effekt durch salz

Es lohnt sich auf jeden Fall, Kinder auch mal mit besonderen Materialien arbeiten zu lassen, auch wenn sie noch sehr klein sind. Das muss am Anfang auf jeden Fall unter Aufsicht und mit Unterstützung geschehen. Es bietet so die ideale Gelegenheit, um auch kleinen Kindern schon zu zeigen, dass es Materialien gibt, die mit besonderer Achtsamkeit behandelt werden müssen. Genau diese besonderen Materialien erlauben aber auch ganz besondere Ergebnisse. Und die Kinder erfahren so Wertschätzung für ihre kreativen Arbeiten.

„Das hat Spaß gemacht!“

…erklärte mir der Junge, der am Dienstag zum ersten Mal zum Malen da war, mit leuchtenden Augen und strahlendem Gesicht.

Der zwölfjährige war als Extremfrühchen geboren und hat noch immer mit Entwicklungsverzögerungen als Spätfolge zu tun. Dazu kommen soziale Probleme. Er ist ein eher stiller, braver Junge, der in einer lebhaften Klasse untergeht und oft durch die Unruhe der anderen mitgestraft wird. Anschluß findet er nur schwer, wird auch häufiger ausgelacht oder gehänselt. Intellektuell und kognitiv ist er seinem Alter voraus, körperlich gehört er zu den Kleinsten der Klasse.

Vor kurzem starb auch noch der Opa, der ihm eine sehr wichtige Bezugsperson war.

Er musste sich ziemlich überwinden, das Malen auszuprobieren, denn durch den schulischen Kunstunterricht gab es schon frustrierende Erlebnisse, er bemüht sich und kann nicht so, wie es erwartet wird. Nur weil der beste Freund schon seit längerer Zeit bei mir malt, wollte er es dann doch auch ausprobieren.

Schon gleich zu Beginn, nachdem ich ihm die Atelierregeln erklärt hatte, eröffnete er mir „Das find ich total gut, dass nix über die Bilder der anderen gesagt werden darf – in der Schule lachen sie mich aus“.

Nach einer halben Stunde (die Kirchturmuhr schlug), stellte er fest, dass die Zeit soooo schnell rumgeht und bedauerte es, dass die Maleinheit ’nur‘ eine Stunde geht.

Beim Malen zeigten sich schon Unterschiede in den Bildern der beiden fast gleichaltrigen Jungs. Wenn ich aber an das erste Bild des anderen Jungen zurückdenke, liegt das auch in der Übung begründet.  Zwischen den beiden war das aber überhaupt kein Thema, jeder konnte sich am Bild des anderen genauso freuen, wie am eigenen. Beide haben in der Stunde ein Bild fertigbekommen, zum Schluß erzählten sie die Geschichte zu ihrem Bild. Sie waren sehr zufrieden mit ihren Bildern und es ging ihnen richtig gut damit.

Mir zeigten sich erste Ansatzpunkte im Bild, die ich im Auge behalten werde.

Und nächste Woche kommt er wieder…

Wahrnehmungsstörungen, Entwicklungsverzögerungen…

Greif zu!

…sind nur zwei Indikationen, bei denen für Kinder das freie Malen förderlich sein kann.

Auch bei Sprachproblemen, Schlafstörungen, Ängsten, ADS/ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, körperlichen Handicaps und vielen anderen ist das Malen eine wertvolle Unterstützung zu den dann angewandten Therapien.

Warum? Auf der einen Seite fördert es die Integration der Hirnhälften. Auf der anderen Seite gibt es die Möglichkeit, im geschützen Malraum, Gefühle zu äußern. Frustrationen, die als Folge der ursprünglichen Störungen auftreten, können so verarbeitet werden. Durch die kritikfreie Atmosphäre gibt es Erfolgserlebnisse, die das Selbstbewusstsein stärken. Noch mehr Argumente dafür sind hier zu finden.

Das Malen ersetzt aber keineswegs eine Ergotherapie oder Logopädie und natürlich schon gleich gar nicht den Arztbesuch. Es kann aber diese Therapien verstärken und unterstützen. Generell schadet es bei keinem Kind.

Und wenn das Kind nicht gern malt? Gerade dann lohnt sich ein Schnupperbesuch im Atelier, denn durch die spezielle Atmosphäre und die anregenden Materialien finden die meisten Kinder doch Spaß daran.

Wahrnehmungsstörungen

Gibt es Störungen bei der Weiterleitung oder bei der Verarbeitung im Gehirn, so kommen Informationen trotz intakter Sinnesorgane nicht oder nicht vollständig an. Ist beispielsweise der Sehnerv geschädigt, so kann das Auge zwar sehen, das Gehirn erhält die Sehinformationen aber nicht oder unvollständig.

Beim Säugling findet in den ersten Lebensmonaten das eigentliche „Sehenlernen“ statt. Dafür gibt es ein enges Zeitfenster, was bis dahin nicht gelernt ist, kann auch später nicht mehr gelernt werden.

In den 70er Jahren  deckten die Nobelpreisträger Torsten Wiesel und David Hubel jungen Katzen ein Auge ab. Die Katzen blieben auch später auf diesem, völlig gesunden Auge, blind. Auch beim Menschen ist diese Phänomen nachweisbar, Kleinkinder oder Erwachsen, die in der Vergangenheit wegen einer Linsentrübung operiert worden sind, blieben blind, obwohl das Auge nach dem Eingriff eigentlich funktionierte. Säuglinge, die früh genug wegen der gleichen Erkrankung operiert wurden, konnten das Sehen noch lernen.

Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass nun in allen Bereichen Hopfen und Malz verloren ist, wenn Störungen der Wahrnehmung vorliegen. Nur in den wenigsten Fällen ist die Wahrnehmung dann dauerhaft verloren. Das Gehirn ist erstaunlich anpassungsfähig, häufig benötigte Verbindungen werden als „Schnellstraße“ angelegt. Und auch geschädigte Bereiche können durch neue Vernetzungen in gewissen Grenzen wiederhergestellt werden.

Wahrnehmung – mehr als nur 5 Sinne

Immer wieder ist, auch in meinen Artikeln, von der Wahrnehmung die Rede.

Was genau ist damit denn gemeint?

Die Sinnesorgane erscheinen zunächst noch ganz einfach zu erklären, wir sehen mit den Augen, hören mit den Ohren, riechen mit der Nase und schmecken mit der Zunge.

Doch schon beim Fühlen wird es schwieriger, das entsprechende Sinnesorgan zuzuordnen. Die Haut leistet einen Teil dieser Arbeit, doch auch in den tieferliegenden Körperregionen gibt es „Rezeptoren“, die als „Muskelsinn“ die Stellung der Körperteile zueinander fühlbar machen.

Und wie war gleich noch der Geschmackssinn bei einer ordentlichen Erkältung? Wer nichts riecht, der schmeckt auch kaum etwas.

Die Sinnesorgane sind jedoch nur ein Teil der Wahrnehmung. Sie leiten ihre Eindrücke über die Nerven weiter an das Gehirn. Dort findet die eigentliche Verarbeitung der Sinnesreize statt. Nur die Sinnesreize, die dort auch weiterverarbeitet werden, sind Bestandteil der Wahrnehmung.

Wie sieht nun diese Weiterverarbeitung aus?

brrr, sauer
brrr, sauer

Nehmen wir an, wir betrachten eine Zitrone. Das Auge erkennt die Farbe, die Form, die Helligkeit und meldet all diese Informationen an das Gehirn weiter. Dort werden die gemeldeten Merkmale der Gedächtnisinformation Zitrone zugeordnet und gleich die zugehörigen Informationen über Geruch, Geschmack und wie sich eine Zitrone anfühlt bereitgestellt. Und auch wenn wir Zitronenduft wahrnehmen, funktioniert die Verarbeitung im Gehirn und stellt uns die Bilder und sonstigen Informationen zur Verfügung.

Wie das genau funktioniert, ist bisher noch nicht wissenschaftlich erklärbar.

Eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass das funktionieren kann, ist jedoch altbekannt. Wir müssen irgendwann kennengelernt haben, dass das eine Zitrone ist. Wie sieht sie aus, wie fühlt sie sich an, wie riecht sie, wie schmeckt sie? Je öfter wir eine Zitrone wahrgenommen haben, desto schneller stellt uns das Gedächtnis die Informationen zur Verfügung.

Raumentwicklung bei Kinderbildern

Aus den parallel auftretenden Körper- und Geist-Ego-Bildern entwickelt sich die räumliche Darstellung und gleichzeitig auch die Gestaltung des Raumes. Aus den Einzelelementen wird eine gestalterische Gesamtheit.

geist ego raum1
Geist-Ego – Anfänge der Raumentwicklung
geist-ego-raum2
Fortgeschrittene Raumentwicklung in Geist-Ego-Bildern

Bei den reinen Geist-Ego-Bildern (sehen, denken, malen) wachsen Himmel und Boden zusammen. Anfangs willkürlich (wie Pulspunkte) in den Raum gestellte Elemente passen sich in Größe und Position der Umgebung an.
Diese Form der Raumentwicklung ist in der Praxis eher selten zu finden.

Häufiger entwickelt sie sich aus den Körper-Ego-Bildern (sehen, hineinfühlen, malen) in zwei möglichen Formen – als Zentralrabattement oder Achsialrabattement. Beim Zentralrabattement sind die Objekte um ein Zentrum herum angeordnet, beim Achsialrabattement an einer Achse entlang.

Körper-Ego-Bild im Achsialrabattement – Anfang der Raumentwicklung
Körper-Ego-Bild im Achsialrabattement – fortgeschrittene Raumentwicklung: die Bäume richten sich auf!

Im Verlauf der Entwicklung richten sich die Objekte auf bis hin zur realistischen räumlichen Darstellung.
Da bei vielen Erwachsenen dieser Prozess nie abgeschlossen wurde, treten derartige Darstellungen auch in Erwachsenenbildern noch oft auf und werden häufig als stimmig betrachtet.

Wenn Kinder trauern

november

Auch Kinder müssen trauern dürfen. Ob nun ein geliebter Mensch oder „nur“ ein geliebtes Tier gestorben ist, Kinder empfinden dabei ein sehr starkes Gefühl der Trauer. Egal wie sie dieses Gefühl äußern, ihre Trauer braucht Raum. Ob sie dabei nun in Tränen ausbrechen, schreien, verzweifeln oder in sich reinfressen, genau wie Erwachsene müssen sie die Trauer ausleben dürfen.

Gerade bei Kindern ist die Trauer noch viel extremer als bei Erwachsenen und sollte sich auch so äußern dürfen. Ein gut gemeintes Ablenken schadet hier, auch wenn vielleicht der Eindruck entsteht, nun sei alles wieder gut. Oft werden Kinder zum ersten Mal mit diesem Gefühl konfrontiert. Die Welt gerät für sie aus den Angeln, nichts ist mehr so wie es war. Werden solche Gefühle unterdrückt, so nagen sie unter der Oberfläche weiter, können sich im Extremfall auch in körperlichen Symptomen äußern. Bettnässen bei bereits trockenen Kindern kann zum Beispiel ein solches Symptom sein.

Trauer braucht Ausdrucksmöglichkeiten

Manche Kinder zeigen ihre Trauer nach außen nicht oder nur wenig. Gerade wenn Eltern selbst auch trauern, wollen die Kinder ihre Eltern nicht zusätzlich belasten und versuchen, alles mit sich selbst aus zu machen. Diese Kinder sollten auf jeden Fall eine Möglichkeit erhalten um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, bei Vertrauenspersonen außerhalb des Elternhauses.

Ein Beispiel aus der Fachliteratur fällt mir dazu ein: Im „Ereignis Kunsttherapie“ schildert Marie-Thérèse de Tscharner einen Fall aus ihrem Atelier. Ein siebenjähriger Junge hat sich in den letzten zwei Jahren zu einem traurigen und unlustigen Kind verändert. Er verarbeitet im Atelier die Trauer und die Schuldgefühle zum Tod seines Hundes. Der Hund wurde von einem Auto überfahren, der Junge machte sich Vorwürfe, weil er die Leine nicht halten konnte.  Beim Malen kann er seiner Trauer Ausdruck geben und mit dem letzten Bild einer Reihe, dem verstorbenen Hund einen Platz im Hundehimmel und seinem Herzen malen.

Farbige Tristesse in Grundschulfluren

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir mit diesem Beitrag keine Freunde unter Grundschullehrerinnen mache – ich behaupte inzwischen, dass ich die Qualität einer Grundschule in den Fluren erkennen kann.

Hängen dort Sonnenblumenbilder in Reih und Glied,eine wie die andere mit ultramarinblauem Himmel, so schwant mir schon Übles. Bisher hat mich das auch noch nicht getäuscht.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Kinder vor mir, mit gebeugtem Rücken über ihrem Zeichenblock, mit kratzigen Borstenpinseln in der widerspenstigen Wasserfarbe rumrühren, die erst dann einen deckenden Farbauftrag auf dem Papier ermöglicht, wenn sie schaumig gerührt wurde. Das Papier weicht schnell auf, es wellt sich. Und – oweh – hier gerät Blau in das Gelb der Blume und vermischt sich zu Grün, das gibt bestimmt eine schlechte Note, wir sollten doch aufpassen, dass wir nicht über den Rand kommen. Und jetzt so viel Blau malen, immer um die Blume herum, wie langweilig……

Sicher hat die Schule einen Bildungsauftrag, die Kinder sollen dort was lernen. Und damit widerspricht sich das mit meiner Forderung, die Kinder sollen sich beim Malen frei entwickeln dürfen. Denn nach landläufiger Auffassung bedeutet Lernen ja, etwas vorzugeben, was dann von den Lernenden aufgenommen wird. Wissen, das sich die Kinder selbst erarbeiten wird noch immer nicht als ‚gelernt‘ akzeptiert.

Bereits vor 85 Jahren wurde in Jena die erste deutsche Montessorischule gegründet. Dort gilt der Leitsatz „Hilf mir es selbst zu tun!“. Auch wenn das begleitete Malen nicht mit der Montessoripädagogik in Verbindung steht, so gibt es doch in einigen Punkten gemeinsame Ansätze.

Da wäre zunächst die Forderung, das Lernen im eigenen Rhythmus zu ermöglichen. Das deckt sich völlig mit unserer Regel „Jeder malt so wie er will und kann“.

Auch die tiefe Konzentration, die laut Montessori zu beobachten ist, wenn sich ein Kind mit dem beschäftigt, was gerade seine Bedürfnisse befriedigt, ist im Atelier immer wieder zu sehen.

Und auch das Atelier selbst kann man als eine vorbereitete Umgebung im Sinne Montessoris betrachten. Dieser Raum enthält alles, was zum Malen gebraucht wird und nicht mehr. Die Paletten stehen bereit, das Papier wartet auf die Malenden. Die leuchtenden, flüssigen Farben sind ein Material, das Wertschätzung verdient und auch bekommt. Jede Farbe hat einen dicken und einen dünnen Pinsel, wenn die beide in Gebrauch sind, muss gewartet werden, Absprachen und Rücksichtnahme werden so gefördert.

Um auf die Sonnenblumen zurückzukehren, diese werden auch von den Kindern im Atelier gelegentlich gemalt. Sie dienen dann als „Verpackung“ für eine unorientierte Tastfigur. Diese drückt das Körperempfinden ‚weggehen und zurückkommen‘ aus, als eines der kindlichen (oder auch erwachsenen)  Bedürfnisse.  Es wird dann gemalt, wenn das Kind eben dieses Empfinden verspürt. Und nicht, wenn die Sonnenblume auf dem Sachunterrichtlehrplan steht.

Das ist jetzt zwar nicht so geworden, wie ich es wollte…

nicht so wie ich wollteDas ist jetzt zwar nicht so geworden, wie ich es wollte, aber manchmal muss man das dann auch so lassen!
Mit dieser Aussage überraschte mich ein Siebenjähriger nach etwa 5 Wochen Malen im Atelier. Er hatte sich zu Beginn seiner Atelierbesuche ewig damit verweilt, aus Weiß und Schwarz Grautöne zu mischen. Sie mussten immer wieder neu gemischt und übermalt werden, weil sie seinen Vorstellungen nicht entsprachen.
Wenn er etwas auf sein Blatt geschrieben hat, dann hat er es zumeist durchgestrichen und neu geschrieben, weil ihm das Geschriebene nicht schön genug war.
Bettina Egger geht ja davon aus, dass sich die Malenden beim Malen so verhalten, wie im echten Leben.
Bei diesem Jungen zumindest trifft das wohl sehr genau zu, denn auch bei den Hausaufgaben und in der Schule zeigte er dieses Verhalten. Oft wurde er mit den Arbeitsblättern nicht fertig, weil er wieder und wieder ausradiert hat, weil das nicht so geworden ist, wie er es wollte.
„Aber manchmal muss man das auch so lassen!“ – Zu ihm direkt habe ich das so eigentlich nie gesagt.
Das war eigentlich mein Thema mit einem anderen Jungen in dieser Gruppe. Regelmäßig wollte er das Papier umgedreht haben, weil ihm sein Anfang nicht gefallen hat. Ihn hatte ich immer wieder ermutigt, aus dem missglückten Anfang doch noch etwas zu machen.
Und doch hat es auch auf den Siebenjährigen nachhaltig gewirkt.
So nachhaltig, dass er es in sein Leben außerhalb des Atelier übertragen kann ? ! ?