Jeder hat ein Dreck-Eck!

Noch vor ein paar Jahren sah ich überall um mich herum Perfektion und mein eigenes Ungenügen.

dreckeck
Was mich mein altes Haus lehrt – jeder hat ein Dreck-Eck!

Die Nachbarin spielte stets gut gelaunt mit ihren Kindern Brettspiele und lachte auch beim 100. Benjamin Blümchen „Törö“ noch. Ich selbst mochte „Mensch-ärgere-dich-nicht“ noch nie und musste ganz stark auf Durchzug schalten, um noch eine „Bibi Blocksberg, die kleine Hexe“ zu ertragen.

Bei einer Bekannten war die Wohnung auch mit 3 Kindern immer aufgeräumt, während bei mir ewig das Chaos tobte, Papierfetzen umherkullernden Wachsmalstiften nachflogen und die Wollmäuse entsetzt von dannen stoben.

Wieder eine andere Bekannte war schon morgens früh beim Bäcker tiptop gestylt. Während ihre Tochter Mittagsschlaf hielt, bügelte sie noch schnell einen Korb Wäsche weg, um anschließend mit einer Zeitschrift auf der Couch zu relaxen. Meine Tochter hielt leider nicht viel von Mittagsschlaf – wozu auch, wenn die Mutter ohnehin nicht gern bügelt?

Ja überhaupt, was hab ich da nur falsch gemacht, dass mein Kind leider überhaupt nicht schlafen lernen wollte, egal wie viele Erziehungsratgeber zu diesem Thema ich verschlungen habe? Während die Tochter Papier schnipselte und bewachsmalte und so für nachwachsendes Chaos sorgte….

 

Irgendwann in dieser Zeit war ich zu Besuch bei meiner Tante – die Musterhausfrau aus dem 50er Jahre-Idyll. Alles immer aufgeräumt und sauber, Tante kochte, backte, nähte, gärtnerte, natürlich alles perfekt. Die Putzlappen wurden ihr im Kochwaschgang der Waschmaschine nicht weiß genug, weshalb sie sie im Topf mit Seifenlauge auf dem Herd auskochte. Und diese Ausgeburt an Perfektion meinte zu mir: „Ach weißt du, ich bin richtig froh um meine Holzfenster! Bei denen muss ich nicht jedesmal den Fensterrahmen mitputzen!“

Ok, klingt wahrscheinlich ziemlich banal, aber bei mir machte es in diesem Moment ‚klick‘! Wenn sogar diese Tante ein „Dreck-Eck“ hatte, dann gab es Perfektion wohl wirklich nicht?

Im Lauf der Zeit gelang es mir immer besser, die „Dreck-Ecken“ der anderen zu erkennen und ganz erleichtert festzustellen, dass die vermeintliche Perfektion nirgendwo beheimatet war – außer vielleicht im Werbefernsehen.

Und nach und nach konnte ich meine eigenen „Dreck-Ecken“ sehr viel entspannter betrachten und angehen.

So richtig krass habe ich dann noch bei meinem eigenen begleiteten Malen erlebt – so ein großes Blatt und dann mit den Fingern malen … da bleibt keine Möglichkeit sich in kleinsten Details zu verlieren, immer wieder stand die Entscheidung an:

Das ist jetzt gut genug so!

 

Total im Stress, voll unter Strom…

… so war ich am Dienstag drauf. Obwohl ich es ja mittlerweile eigentlich können sollte, passiert mir das gelegentlich immer noch. Zu viele eigene Ziele und Vorhaben, selbstgemachter Zeitdruck, alles noch ’schnellschnell’…

Dies noch fertig machen, jenes noch fertig kriegen, einen lang verschobenen Termin wahrnehmen usw. – kurz, das volle Programm.

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Was versteckt sich in diesen Steinen?

Nach dem lang verschobenen Termin dann noch die letzte Specksteinwerkstatt diesen Jahres und hurra, mir blieb dabei die Gelegenheit selbst einen Stein zu bearbeiten. „Wie praktisch, jetzt kann ich noch ein Geschenk für einen lieben Mitmenschen anfertigen! Mal wieder zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen“ ging mir noch durch den Kopf.

Ich schaute mir die Steine an, nahm verschiedene in die Hand und befühlte sie. Ich wurde ruhiger, gelassener. Einer der Stein sprach mich an und ich sah in ihm sehr schnell etwas, das aus dem Stein hervorgeholt werden wollte. Es war ein hellbrauner Stein, nicht ganz faustgroß. Einer von der weichen Sorte, der sich ganz leicht bearbeiten lässt. Er fühlt sich sandig, tonig an und ist sehr nachgiebig und gutmütig.

In eineinhalb Stunden war er komplett fertig bearbeitet – es war gar nicht viel zu tun. Mit jedem Raspeln, Feilen und schmirgeln wurde ich ruhiger, verlor die Anspannung, kam zu mir.

Am Tag drauf ölte ich den Stein mehrmals, denn diese hellbraunen Steine lassen sich nicht so glatt polieren wie andere. Sie nehmen durch ihre sandige Struktur sehr viel Öl auf. Immer wieder wollen sie nachgeölt werden, bis sie schließlich gesättigt sind.

Ich überdachte meine Zeitvorgaben, strich mein Programm ganz radikal zusammen. Unrealistische Ziele bekamen neue Termine. Ich holte mir Unterstützung und konnte so die wichtigsten Aufgaben sehr viel schneller erledigen, als ich es vorher gedacht hatte. Es blieb mir sogar noch Zeit (ich hab sie mir einfach genommen), um mit meinem Sohn unterwegs eine Kleinigkeit zu essen, mich dabei mit ihm zu unterhalten. Der Weihnachtsbaumkauf war dann im zweiten Anlauf ein richtig nettes Erlebnis – ein supernetter Weihnachtsbaumverkäufer präsentierte uns ‚unser‘ Bäumchen (im Topf) – alles passte auf Anhieb, sogar der Preis ;).

Viel früher als gehofft, war ich zu Hause und hatte alles Nötige erledigt. Mir blieb noch Zeit für einen ausgiebigen, gemütlichen Kaffee und ein sehr ausführliches, wohltuendes Gespräch mit einer guten Freundin.

Am Abend räumte ich die Baustelle, die ich eigentlich noch vor Weihnachten fertig kriegen wollte auf, packte das Werkzeug beiseite und machte den Bereich so einigermaßen sauber. Nach Weihnachten ist auch noch Zeit dafür…

Als ich heute morgen dann meinen Speckstein in die Hand nahm und betrachtete, um zu sehen, ob er noch mehr Öl braucht, musste ich dann doch lachen – erst heute ist mir so wirklich bewusst geworden, was sich da in diesem Stein versteckt hatte, nämlich genau das, was ich am Dienstag gebraucht habe:

schnecke aus speckstein,specksteinskulptur
Ein bisschen Entschleunigung gefällig?

Reif für die Farbe – 10 Punkte, wann Erwachsene malen sollten

meermalen
Wann sollten Erwachsene malen?

Auch hier gilt im Prinzip das Gleiche wie bei den Kindern, schaden wird es generell niemandem.

Typische Anzeichen dafür, dass das Malen im Atelier ganz besonders hilfreich sein könnte, sind aber:

Trauererlebnisse

Unverarbeitete Trauer belastet, das Malen kann helfen, den Verlust anzunehmen.

Stress

Wenn Du nicht mehr weißt, wo Dir der Kopf steht, hilft das Malen, Dich auf Dich und Deine Bedürfnisse zu besinnen und zur Ruhe zu kommen.

Burnoutgefahr

Beim Malen lernst Du, Grenzen zu definieren und ihre Einhaltung zu beachten.

Familienprobleme

Wo stehe ich in meiner Familie, was ist für mich wichtig?

Paarprobleme

Wie stehe ich zu Dir?

Frauenspezifische Probleme

Kinderwunsch, Schwangerschaft, die Kinder werden flügge, Wechseljahre

Schwierige Lebenssituationen

Als pflegende Angehörige oder Eltern besonderer Kinder, Midlifecrisis, Diagnose einer schweren Erkrankung, Leben mit einer chronischen Krankheit

Zeiten der Veränderung

Trennung, Jobverlust – Krisen können Chancen sein.

Mangelndes Selbstvertrauen

Lern Dich neu kennen und entdecke Deine Fähigkeiten.

Persönlichkeitentwicklung

Auf dem Papier können neue Verhaltensmuster ausprobiert und gefestigt werden.

Eine Mauer ist eine Mauer!

Bei meinem Kollegen Raimund von Schwangerschaftserlebnis-Blog fand ich einen Artikel, in dem er eine Erfahrung mit Malen beschreibt. Ich stelle mir jetzt vor, ein solches Bild zu begleiten und daran zu erläutern, was es genau bedeutet, ein Bild zu klären.

‚Die Zeichenstifte ließen eine Mauer auf dem Papier entstehen, und davor ein Baum. Es gab noch ein paar Luftballons und fertig.‘

Hier setzt die Klärung an – ist das Bild so wirklich fertig? Was für eine Mauer ist das? Gehört die zu einem Gebäude? Ist es eine Gartenmauer? Hast Du sowas schonmal in echt gesehen? Und was hat es mit den Luftballons auf sich? Wo kommen die her? Gibt es dazu eine Geschichte? Möchtest Du mir die erzählen?

Sehr wahrscheinlich nimmt dieses Bild ab hier schon einen ganz anderen Verlauf, aber ich nehme jetzt mal die ursprüngliche Aussage:

‚ Natürlich war mir sofort klar, dass diese Mauer ein Hindernis in meinem Leben darstellen sollte und dass ich unbedingt und sofort drüber weg musste.‘

Mauer
Eine Mauer ist eine Mauer!

Die Mauer wird als Symbol für ein Hindernis betrachtet. Wir sind es gewohnt Darstellungen symbolisch anzuschauen. Im begleiteten Malen ist eine Mauer eine Mauer. Alle Möglichkeiten sind offen. Begibt sich mein Malender auf diese symbolische Ebene, ist es meine Aufgabe, ihn an das Bild zurückzuholen, weg von der als allgemeingültig betrachteten Interpretation ‚Hindernis‘. Dabei handelt es sich um das, was die Gestalttherapie als ‚Introjektion‘ bezeichnet, das ungeprüfte Übernehmen von Normen und Vorstellungen. Am nächsten Morgen kommt Raimund zu genau dieser Erkenntnis:

‚Beide Gedanken waren für mich völlig überraschend. Und sehr interessant! Klar, das Bild zeigte einfach eine Mauer. Wieso hatte ich sofort die Idee, über sie hinweg zu kommen? Ist es nicht erstaunlich, wie leicht man einer Annahme folgt ohne zu überprüfen, ob sie überhaupt stimmt? Ich hatte angenommen, dass diese Mauer ein Hindernis symbolisierte – ja, und warum nicht. Aber warum sollte es ein Hindernis sein, das vor mir lag und nicht eines, das ich endlich hinter mir hatte?
Als ich am nächsten morgen aufwachte, hatte ich sofort und als allererstes zwei Gedanken, die glasklar vor mir standen:
1. Jede Mauer hat irgendwo ein Tor – warum also gehst du da nicht entlang bis du dieses Tor gefunden hast?
2. Wer sagt, dass du da rein willst? Vielleicht warst du endlich draußen?‘

Wäre dieses Malen begleitet gewesen, wäre genau das schon viel früher, in der Arbeit am Bild eingetreten. Welche Geschichte uns die Mauer dann wohl noch erzählt hätte?

Wie läuft das begleitete Malen im Atelier ab?

Normalerweise wird in Gruppen von 5-8 Personen gemalt, ich begleite die ganze Gruppe als Malleiterin . Meine Aufgabe ist es dabei, Dir genau dann Hilfe zu geben, wenn es nötig ist.

Das geschieht auf mehreren Ebenen.

farben
Welche Farbe ist die Passende?

Zum einen auf einer eher technischen Ebene, also alles was direkt mit den Materialien zu tun hat. Da wären zuerst zu klären, ob Du im Hoch- oder Querformat malen möchtest, mit Pinsel oder den Fingern, mit welchen Farben. Wenn Du zum ersten Mal so malst, gebe ich Dir auch eine kurze Einweisung, was ist wo zu finden, wie geht das vor sich. Auch später findet immer wieder Kontakt auf dieser Ebene statt, ich gebe Dir, falls erforderlich, technische Hinweise, überwache den Zeitrahmen, fordere Dich gelegentlich auf, mal ein paar Schritte zurückzutreten und das Bild aus der Distanz zu betrachten.


Die nächste Ebene ist auf den Malprozess bezogen. Hier gebe ich Dir, falls nötig, Hilfe beim Finden und Klären des Themas. Ich äußere meine eigenen Wahrnehmungen zum Bild und zeige Dir meine Anwesenheit durch Blick- und ggf. Körperkontakt. Niemals werde ich aber Dein Bild werten oder interpretieren. Ich werde manchmal meine eigenen Gefühle und Eindrücke wiedergeben, z.B. „Das macht mich richtig fröhlich!“ oder „Das wirkt auf mich traurig/bedrohlich/…“, aber keinesfalls Kommentare in der Art „was malst du denn da für fürchterliche Sachen“ abgeben. Ich werde Dich auch nach Deinen Gefühlen fragen, was Du empfindest, beim Malen und Anschauen Deines Bildes.

Auf einer dritten Ebene zeigst Du mir beim Malen Deine üblichen Verhaltensmuster. Ich kann Dir durch Nachfragen und Hinweise helfen neue Verhaltensmuster auszuprobieren.

Begleitetes Malen, was ist das eigentlich?

Das Begleitete Malen ist eine Form der Kunsttherapie oder auch eine Methode zur Persönlichkeitsentwicklung. Es wurde von der Schweizerin Bettina Egger begründet, als eine Weiterentwicklung des Ausdrucksmalens nach Arno Stern.

Wie geht das vor sich?

Gemalt wird in einem Atelier als eine Art Schutzraum. Der Raum ist fensterlos,  damit es möglichst keine Ablenkung von außen gibt. Das Papier wird an den Wänden aufgehängt, in der Mitte des Raums stehen Palettentische.

begleitetes malen
Das Bild wird zum Gegenüber

Es wird mit Gouache- oder Temperafarben gemalt, entweder mit Pinseln oder mit den Fingern. Das Bild wird in der Mitte begonnen und flächig nach außen gemalt, es werden keine Konturen oder Begrenzungen vorgegeben, das Motiv entwickelt sich beim Malen.

Das Motiv?

Es werden Metaphern gemalt in realistischer, gegenständlicher Darstellung.

Das Malen findet in einer Gruppe statt, begleitet von der Malleiterin (Therapeutin).

Im Mittelpunkt steht die Arbeit am Bild. Das Bild wird nicht interpretiert, sondern bleibt stehen, wie es ist.

Und was ist daran jetzt Therapie?

Entscheidend ist nicht das Bild als Ergebnis, sondern der Weg auf dem es zu diesem Bild kommt. Es geht nicht darum, etwas Schönes oder Künstlerisches zu malen, sondern um den Malprozess als solchen. In diesem Malprozess finden ‚innere Bilder‘ ihren Weg aufs Papier, oftmals erzählen diese Bilder dem Malenden eigene Geschichten (auch dazu später mehr). Durch das Begleiten gibt es auch die Möglichkeit, ganz anders, als gewohnt vorzugehen, im Schutzraum des Ateliers. So kann z.B. ein eher zögerlicher Mensch ermutigt werden, beherzter draufloszumalen. Neue Verhaltensweisen lassen sich erproben und dann ins Alltagsleben übertragen. Das begleitete Malen dient auch der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung. Es hilft bei Entscheidungsfindung in schwierigen Situationen und um ganz allgemein klarer zu sehen.