Die Malentwicklung der Kinder – Urformen überall gleich

Kritzelknäuel

Überall auf der Welt läuft die Malentwicklung der Kinder in einer gleichen Reihenfolge ab. Ganz egal ob Inuit oder Tuareg, gibt man Kindern ein Möglichkeit zu malen, werden sie überall auf der Welt bei den gleichen Urformen landen.

Arno Stern bereiste Mitte der 60ger, Anfang der 70ger Jahre Länder, die damals noch weitgehend unbeeinflußt von der Zivilisation waren (Guatemala und Papua-Neuguinea, Afghanistan und Peru, Äthiopien und Niger). Er lies Kinder malen, die noch nie zuvor Farbe und Papier hatten. Und er stellte fest, dass diese Kinder die gleichen Grundstrukturen malten, wie die Kinder in Paris. Wer mehr über Arno Sterns Hintergrund und seine Forschungsreisen erfahren möchte, findet in diesem Spiegel-Artikel Informationen dazu.

Das was in dem Artikel als Erstfiguren bezeichnet wird, wird von Helen Bachmann und Bettina Egger als „Urformen“ weiteruntersucht. Helen Bachmann wagt es, die Verbindung herzustellen, zwischen den Urformen und der kindlichen Individuation. Sie entdeckt dabei Parallelen zwischen den ungelenkten Bewegungen des Neugeborenen und den Kritzelknäueln, der ersten Urform, die aufs Papier gebracht wird. In ihrem Buch „Malen als Lebensspur“ beschreibt sie diese Urformen und die Entsprechungen in der Entwicklung ausführlichst.

Einen kurzgefassten Überblick darüber welche Urformen es gibt werde ich hier in den nächsten Tagen veröffentlichen.

Entwicklungshilfe?

Was bringt das begleitete Malen für die kindliche Entwicklung?

Eine der Urformen, die unorientierte Tastfigur

Dürften sich die Kinder beim Malen völlig frei entwickeln, so wäre begleitetes Malen fast unnötig.

Arno Stern hat es als Erster erforscht, die Malentwicklung der Kinder verläuft weltweit, wenn sie nicht beeinflusst wird, nach einem gewissen Schema. Sie beginnt mit den Urformen und endet mit der Entwicklung der perspektivischen Darstellung, etwa im 13. Lebensjahr. In dieser ganzen Zeit, ist das Malen weit mehr als nur ein netter Zeitvertreib. Malen ist ein wichtiges nonverbales Ausdrucksmittel. Malen ist Bestandteil einer ganzheitlichen Entwicklung und fördert die Integration von Körper und Seele. Malen schult die Wahrnehmung.
In diese Entwicklung wird jedoch immer wieder eingegriffen. Angefangen vom gut gemeinten „Ich zeig dir, wie man ein Haus malt“, bis hin zu schulischen und vorschulischen Aufgabenstellungen, bei denen das Malen nach Motivvorgaben zur rein feinmotorischen Übung entfremdet wird.
Dabei muss gar nicht mal die ganze Fördermaschinerie in Bewegung sein, die Auswüchse in Form von „Malen wie die Großen“ und ähnlicher Veranstaltungen enthält, in denen Kinder nach dem Techniken berühmter Künstler malen lernen sollen.
Schon das ganz „normale“ Ausmalbildchen anmalen oder auch die Vorgabe „malt ein Frühlingsbild“ lässt keinen Raum für die eigenen Ideen und Bilder.
„Was soll ich denn jetzt ein Frühlingsbild malen, wo doch beim Nachbarn gerade so ein toller, großer Bagger rumfährt“, mag sich da so manches Kind denken.
Bei vielen Kindern führt dies recht schnell dazu, dass Malen außerhalb des schulischen Pflichtrahmens, gar nicht mehr (freiwillig) gemacht wird. Frustration macht sich breit – „Ich kann das nicht!“. Vergleiche mit den Bildern anderer Kinder, die in der Entwicklung schon ein Stück weiter sind, verstärken diesen Frust.
Beim begleiteten Malen bietet das Atelier einen Schutzraum, in dem die eigenen Bilder zu ihrem Recht kommen und dem Entwicklungsstand entsprechend gemalt werden dürfen.

„Jeder malt so, wie er kann und will!“.

Dort ist die eigene Entwicklung beim Malen möglich, auch wenn die Einflüsse von Schule und Umwelt immer wieder spürbar werden.
Kommen Erwachsene ins Atelier, so ist ganz schnell zu erkennen, wann sie mit ihrer kindlichen Malentwicklung „aufgehört“ haben, an genau dem Punkt, geht es dann im begleiteten Malen weiter.

Begleitetes Malen, was ist das eigentlich?

Das Begleitete Malen ist eine Form der Kunsttherapie oder auch eine Methode zur Persönlichkeitsentwicklung. Es wurde von der Schweizerin Bettina Egger begründet, als eine Weiterentwicklung des Ausdrucksmalens nach Arno Stern.

Wie geht das vor sich?

Gemalt wird in einem Atelier als eine Art Schutzraum. Der Raum ist fensterlos,  damit es möglichst keine Ablenkung von außen gibt. Das Papier wird an den Wänden aufgehängt, in der Mitte des Raums stehen Palettentische.

begleitetes malen
Das Bild wird zum Gegenüber

Es wird mit Gouache- oder Temperafarben gemalt, entweder mit Pinseln oder mit den Fingern. Das Bild wird in der Mitte begonnen und flächig nach außen gemalt, es werden keine Konturen oder Begrenzungen vorgegeben, das Motiv entwickelt sich beim Malen.

Das Motiv?

Es werden Metaphern gemalt in realistischer, gegenständlicher Darstellung.

Das Malen findet in einer Gruppe statt, begleitet von der Malleiterin (Therapeutin).

Im Mittelpunkt steht die Arbeit am Bild. Das Bild wird nicht interpretiert, sondern bleibt stehen, wie es ist.

Und was ist daran jetzt Therapie?

Entscheidend ist nicht das Bild als Ergebnis, sondern der Weg auf dem es zu diesem Bild kommt. Es geht nicht darum, etwas Schönes oder Künstlerisches zu malen, sondern um den Malprozess als solchen. In diesem Malprozess finden ‚innere Bilder‘ ihren Weg aufs Papier, oftmals erzählen diese Bilder dem Malenden eigene Geschichten (auch dazu später mehr). Durch das Begleiten gibt es auch die Möglichkeit, ganz anders, als gewohnt vorzugehen, im Schutzraum des Ateliers. So kann z.B. ein eher zögerlicher Mensch ermutigt werden, beherzter draufloszumalen. Neue Verhaltensweisen lassen sich erproben und dann ins Alltagsleben übertragen. Das begleitete Malen dient auch der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung. Es hilft bei Entscheidungsfindung in schwierigen Situationen und um ganz allgemein klarer zu sehen.