Wie läuft das begleitete Malen im Atelier ab?

Normalerweise wird in Gruppen von 5-8 Personen gemalt, ich begleite die ganze Gruppe als Malleiterin . Meine Aufgabe ist es dabei, Dir genau dann Hilfe zu geben, wenn es nötig ist.

Das geschieht auf mehreren Ebenen.

farben
Welche Farbe ist die Passende?

Zum einen auf einer eher technischen Ebene, also alles was direkt mit den Materialien zu tun hat. Da wären zuerst zu klären, ob Du im Hoch- oder Querformat malen möchtest, mit Pinsel oder den Fingern, mit welchen Farben. Wenn Du zum ersten Mal so malst, gebe ich Dir auch eine kurze Einweisung, was ist wo zu finden, wie geht das vor sich. Auch später findet immer wieder Kontakt auf dieser Ebene statt, ich gebe Dir, falls erforderlich, technische Hinweise, überwache den Zeitrahmen, fordere Dich gelegentlich auf, mal ein paar Schritte zurückzutreten und das Bild aus der Distanz zu betrachten.


Die nächste Ebene ist auf den Malprozess bezogen. Hier gebe ich Dir, falls nötig, Hilfe beim Finden und Klären des Themas. Ich äußere meine eigenen Wahrnehmungen zum Bild und zeige Dir meine Anwesenheit durch Blick- und ggf. Körperkontakt. Niemals werde ich aber Dein Bild werten oder interpretieren. Ich werde manchmal meine eigenen Gefühle und Eindrücke wiedergeben, z.B. „Das macht mich richtig fröhlich!“ oder „Das wirkt auf mich traurig/bedrohlich/…“, aber keinesfalls Kommentare in der Art „was malst du denn da für fürchterliche Sachen“ abgeben. Ich werde Dich auch nach Deinen Gefühlen fragen, was Du empfindest, beim Malen und Anschauen Deines Bildes.

Auf einer dritten Ebene zeigst Du mir beim Malen Deine üblichen Verhaltensmuster. Ich kann Dir durch Nachfragen und Hinweise helfen neue Verhaltensmuster auszuprobieren.

Gibt dir das Leben Zitronen, mach Bilder daraus.

In Anlehnung an das Sprichwort „Gibt dir das Leben Zitronen, mach Limonade daraus“, habe ich einen ganzen grauen Winter lang, experimentiert, was sich aus einem ganz einfachen Motiv alles machen lässt.

Von realistisch bis abstrakt war alles dabei.

Immer mehr hat mich dabei dann die Frage fasziniert, was braucht der Mensch an Informationen, um die Zitrone zu erkennen? Was ist das eigentlich Markante? Farbe? Textur? Form? Was passiert, wenn ich immer weiter reduziere, wielange bleibt eine Zitrone eine Zitrone?

 

Buntstiftzeichnung
Buntstiftzeichnung

Noch viel mehr Zitronenbilder gibt es hier.

Begleitetes Malen, was ist das eigentlich?

Das Begleitete Malen ist eine Form der Kunsttherapie oder auch eine Methode zur Persönlichkeitsentwicklung. Es wurde von der Schweizerin Bettina Egger begründet, als eine Weiterentwicklung des Ausdrucksmalens nach Arno Stern.

Wie geht das vor sich?

Gemalt wird in einem Atelier als eine Art Schutzraum. Der Raum ist fensterlos,  damit es möglichst keine Ablenkung von außen gibt. Das Papier wird an den Wänden aufgehängt, in der Mitte des Raums stehen Palettentische.

begleitetes malen
Das Bild wird zum Gegenüber

Es wird mit Gouache- oder Temperafarben gemalt, entweder mit Pinseln oder mit den Fingern. Das Bild wird in der Mitte begonnen und flächig nach außen gemalt, es werden keine Konturen oder Begrenzungen vorgegeben, das Motiv entwickelt sich beim Malen.

Das Motiv?

Es werden Metaphern gemalt in realistischer, gegenständlicher Darstellung.

Das Malen findet in einer Gruppe statt, begleitet von der Malleiterin (Therapeutin).

Im Mittelpunkt steht die Arbeit am Bild. Das Bild wird nicht interpretiert, sondern bleibt stehen, wie es ist.

Und was ist daran jetzt Therapie?

Entscheidend ist nicht das Bild als Ergebnis, sondern der Weg auf dem es zu diesem Bild kommt. Es geht nicht darum, etwas Schönes oder Künstlerisches zu malen, sondern um den Malprozess als solchen. In diesem Malprozess finden ‚innere Bilder‘ ihren Weg aufs Papier, oftmals erzählen diese Bilder dem Malenden eigene Geschichten (auch dazu später mehr). Durch das Begleiten gibt es auch die Möglichkeit, ganz anders, als gewohnt vorzugehen, im Schutzraum des Ateliers. So kann z.B. ein eher zögerlicher Mensch ermutigt werden, beherzter draufloszumalen. Neue Verhaltensweisen lassen sich erproben und dann ins Alltagsleben übertragen. Das begleitete Malen dient auch der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung. Es hilft bei Entscheidungsfindung in schwierigen Situationen und um ganz allgemein klarer zu sehen.

Wie ich zur Therapeutenausbildung kam…

Vor einigen Jahren habe ich eine AG für Grundschüler geleitet, „Zeitreise durch die Kunstgeschichte“, in der ich mit den Kindern Bilder betrachtet und gemalt habe. Bei den Teilnehmern dieser AG waren auch zwei Jungen, deren Ergebnisse eigentlich immer ganz stark an 😉 Kuhfladen erinnert haben. Die beiden haben mit großer Leidenschaft die Temperafarben auf dem Blatt so ineinander verrührt, dass das Ergebnis jedesmal ein großer brauner Flecken in der Bildmitte geworden ist. Das aktuelle Thema war ihnen auch völlig gleichgültig, das Ergebnis war immer gleich.

Aber beim Farbenauftragen ist in den beiden ganz deutlich etwas vorgegangen – anscheinend für sie etwas sehr positives, denn sie waren jedesmal da und mit Begeisterung bei der Sache.
Eines Tages hatte ich Bilder zum Thema „Traumwesen“ dabei (Hieronymus Bosch, Dali u.ä.). Da war die Reaktion besonders stark, beide äußerten sich noch kurz, dass sie häufig Albträume hätten und malten dann sofort los wie die Wilden. Das Ergebnis waren besonders viele Kuhfladen *g* und 2 ganz gelöste, entspannte Jungs.
Es war spürbar, dass in ihnen etwas ganz Intensives vorgegangen sein muss beim Malen. Und ich muss ehrlich gestehen, ich hatte ein wenig Angst davor, dass etwas bei ihnen „ausbricht“, das ich nicht mehr ohne weiteres abfangen kann.

Dieses Erlebnis hat mich eigentlich zu der Therapeutenausbildung motiviert, ich wollte auf jeden Fall genug Rüstzeug erwerben, um mit starken, unter Umständen negativen Gefühlen der Malenden umgehen zu können.