Es ist wichtig, den Weg zu gehen, bevor man am Ziel ankommt.

Es ist wichtig, den Weg zu gehen, bevor man am Ziel ankommt.

(Helen Bachmann in „Die Spur zum Horizont*“)

Der Weg
Es ist wichtig den Weg zu gehen

Was bedeutet das für die Arbeit am Bild?

Betrachten wir den Malvorgang als den Weg, das Bild als das Ziel. Im künstlerischen Malen habe ich ein fertiges Bild im Kopf, noch bevor ich zum Pinsel greife. Manchmal entwickelt es sich auch hier beim Malen weiter und in andere Richtungen, aber im Allgemeinen steht das Ziel fest.

Bilder, die im begleiteten Malen entstehen, entwickeln eine Eigendynamik. Sie dürfen, ja sollen sich erst beim Malprozess entwickeln. Deshalb wird das Bild auch nicht konstruiert oder vorgemalt, es soll rausdürfen, was aufs Papier will. Wenn die Malende gut im Kontakt mit ihrem Bild ist, kommen Themen an die Oberfläche, die ganz dicht unter der Bewusstseinsgrenze liegen.

In diesem Weg, im Malprozess, liegt die eigentliche Arbeit an der Persönlichkeit. Beim Malen kannst Du Dich selbst wahrnehmen und erfahren. Ist das für mich so stimmig? Oftmals werden dabei Bilder, die eigentlich ‚richtig‘ sind, als unstimmig empfunden und umgekehrt. Die Malbegleiterin macht auf solche Unstimmigkeiten aufmerksam und hinterfragt sie. Sie erkennt Vermeidungsverhalten und typische Verhaltensmuster. Am Bild kann jederzeit verändert  und nachgespürt werden, wie sich diese Veränderung anfühlt.

Dabei ist es unglaublich, wie schwer es fallen kann, eine Veränderung zu malen, die eigentlich ganz logisch und schlüssig ist. Und wenn sie dann gemalt ist, fühlt sich das sehr gut und stimmig an. Aber allein, wäre die Malende nie auf die Idee gekommen, das so zu malen.

Ganzheitliche Förderung – 10 Punkte, warum Kinder malen sollen

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Was bewirkt das Malen bei Kindern?

Malen und kreatives Gestalten sind ein wesentlicher Beitrag zur ganzheitlichen Förderung von Kindern und Jugendlichen. Besonders das begleitete Malen, aber auch freies Malen fördert viel mehr Kompetenzen, als auf den ersten Blick zu sehen sind.

Malen als ganzheitliche FörderungFörderung der Fein- und Grobmotorik

Das große Papierformat an der Wand ermöglicht sowohl große, ausladende Bewegungen, als auch kleine und diffizile Ausführung von Details. So fördert es Grob- und Feinmotorik gleichermaßen.

Vollendung der natürlichen Malentwicklung

Die normale Malentwicklung von Kindern, wird durch Anforderungen in Elternhaus, KiTa und Schule unterbrochen. Das begleitete Malen oder freies Malen ganz ohne Vorgaben, gibt Kindern die Gelegenheit, diese Entwicklung fertigzustellen. Dabei entwickeln sie ihre eigene Darstellung von Räumlichkeit, die wichtig ist für die Vernetzung der beiden Hirnhälften.

Förderung von Stille und Konzentration

Im Malatelier stellt sich eine konzentrierte und ruhige Atmosphäre ein. Die Malleiterin stellt diese andernfalls her und achtet darauf, dass sie eingehalten wird. Auch unruhige Kinder werden an die Stille herangeführt und lernen diese zu ertragen und zu genießen.

Sprache und Kommunikation

Das Gespräch am Bild fördert die Kommunikationsfähigkeit. „Erzähl mir was über dein Bild!“ beinhaltet, dass das Kind eine Geschichte mit den erforderlichen Hintergründen vollständig vermittelt. Das Kind lernt, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen.

Beziehungen / soziale Kompetenzen

Durch das Arbeiten in der Gruppe mit begrenzt vorhandenem Material ist Rücksichtnahme und Absprache unverzichtbar. Es entsteht eine Beziehung zwischen den malenden Kindern untereinander und zur Malleiterin.

Hilf mir es selbst zu tun!

Das Malen hilft dabei, eigene kreative Lösungen zu finden. Vermeintliche Fehler führen zu oft überraschenden Lösungen.

Kreative Lösungsansätze zur Verarbeitung schwieriger Lebenssituationen

In der Arbeit an den eigenen Bildern können schwierige und belastende Situationen auf Papier gebracht werden. So können Kinder ihre Probleme thematisieren und lösen.

Möglichkeit neue Verhaltensmuster auszuprobieren

Wir gehen davon aus, dass sich jemand beim Malen so verhält, wie auch im sonstigen Leben. Auf dem Papier können Kinder neue Verhaltensmuster spielerisch ausprobieren und einüben.

Unterstützung des Selbstwertgefühls

Die Würdigung der Leistungen und das direkte Erleben der eigenen produktiven Kreativität stärkt das Selbstwertgefühl der Kinder. Wow – dieses Bild habe ich selbst gemalt!

Eigene Aktivität statt passivem Konsum

Gerade im Medienzeitalter werden schon Kinder mit vorgegebenen Bildern überflutet. In Büchern, TV oder Computer/Spielkonsole ist die Bildsprache von Erwachsenen vorgegeben. Malen setzt eigene Bilder dagegen und bringt sie zum Ausdruck. Eine Bastelkiste kann mit wenig Aufwand selbst gemacht werden und sollte jedem Kind zur Verfügung stehen.

Der Trauer Raum geben

Das Gefühl der Trauer hat wahrscheinlich jeder von uns schon in irgendeiner Form erlebt. Und nicht wenige dürften auch Aussagen wie ’nun muss aber mal gut sein‘ oder ‚das Leben geht weiter‘ gehört haben. Doch jeder verarbeitet Trauer anders. Gerade in unserem Kulturkreis wird Trauer gern unterdrückt, schon nach kurzer Zeit als ‚ungehörig‘ empfunden. Noch vor einigen Jahrzehnten war auch hier das Trauerjahr ganz selbstverständlich, mittlerweile soll möglichst schnell wieder alles gut sein.

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Trauer im Bild verarbeitet

Aber Gefühle lassen sich nicht einfach abschalten. Auch wenn sie unterdrückt werden, gären sie dicht unter der Oberfläche weiter, lassen uns ein Stück Lebenslust verlieren oder äußern sich in körperlichen Symptomen.

Der Malraum, mit seiner Geborgenheit, bietet auch der Trauer Raum. Ob nun bewusste Trauerarbeit geleistet wird, oder im ganz normalen begleiteten Malen die unverarbeitete Trauer an die Oberfläche kommt, Bilder helfen dabei, dieses Gefühl anzunehmen und die Situation zu verarbeiten.

Ein paar meiner eigenen Erfahrungen damit habe ich hier und hier beschrieben.

Auch diese Bilder sind wieder so unterschiedlich wie die Malenden selbst. Doch eines ist allen gemeinsam – wenn sie aufs Papier dürfen, sind sie heilsam und hilfreich.

Die Heilkraft des Malens

Werner Kraus gibt in seinem gleichnamigen Buch einen hervorragenden Überblick über Kunsttherapie. Ich schreibe bewusst nicht ‚die‘ Kunsttherapie, denn es gibt ganz verschiedene Ansätze und Richtungen. Die wichtigsten werden von Kraus kurz erläutert und ihre unterschiedlichen Ansätze aufgezeigt.

Ich selbst habe dieses Buch kennengelernt, als ich begann, mich über die Ausbildung zur Kunsttherapeutin zu informieren und vor einem Riesenwust an Informationen und Ausbildungsmöglichkeiten stand.

Im Mittelpunkt des Buches stehen aber ganz praktische Fallbeispiele, die in gut lesbarer Form davon erzählen, was mit Kunsttherapie alles möglich ist.  Für diese Fallbeispiele überlässt Kraus den Therapeuten selbst das Wort. Genauso abwechslungsreich und unterschiedlich wie die einzelnen Therapieformen sind auch die Beispiele.

Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie zeigen, dass Kunsttherapie wirkt – auf oftmals ganz erstaunliche Weise. Empfehlenswert ist das Buch aber nicht nur für diejenigen, die selbst eine Ausbildung zur Therapeutin machen wollen, sondern noch viel mehr für diejenigen, die auf der Suche nach einer Kunsttherapie sind. Denn so unterschiedlich die Angebote auch sind, noch viel unterschiedlicher sind die Menschen, die sie nutzen. Die Informationen aus diesem Buch helfen dann dabei, das passendste Angebot zu finden.

Mit Kindern malen und über ihre Bilder sprechen

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Mit Kindern über ihre Bilder sprechen

Kinder sollten möglichst oft die Gelegenheit erhalten, frei zu malen, ohne vorgegebene Motive oder Themen.

Ob nun im Malraum beim begleiteten Malen, in Kita, Schule oder zu Hause am Küchentisch, ein paar grundsätzliche Gesichtspunkte sollten wir im Gespräch mit den malenden Kindern berücksichtigen.

Gleich vorweg – die beliebte Frage „Was hast du denn da gemalt?“ sollte Tabu sein. Genau überlegt, signalisiert sie doch dem Kind „Ich kann nicht sehen, was das sein soll, du hast es nicht gut genug gemalt, ich kann es nicht erkennen!“. Dieses Problem ist in den Büchern von Rudolf und Marielle Seitz („Was hast du denn da gemalt?“ / „Kreative Kinder“) ausführlich besprochen.

Wenn das Kind fragt, was es malen soll, bietet es sich an mit einer Gegenfrage zu antworten „Was möchtest du denn malen?“ oder auch „Das was dir gerade einfällt!“

Sollte dann immer noch keine Idee da sein, kann beispielsweise nach der Lieblingsfarbe gefragt werden. Wenn auch dann noch keine Inspiration vorhanden ist, kann man weiter fragen, was denn diese Farbe hat, was ihm zu der Farbe einfällt.

Erzähl mir die Geschichte zu deinem Bild

Fängt ein Kind sofort an zu malen, kann man zunächst einmal beobachten. Wenn es wichtig ist zu wissen was gerade dargestellt wird, dann kann man fragen „Gibt es dazu eine Geschichte?“ oder „Erzähl mir die Geschichte dazu!“. Dabei ist aber auch unbedingt zu akzeptieren, wenn das Kind diese Geschichte nicht erzählen möchte. In dem Fall sollte weder nachgebohrt noch interpretiert werden.

Beim Malen selbst tauchen dann häufig Fragen oder auch Klagen auf, dass es irgendwas nicht malen könne. Auch hier helfen weitere Fragen dem Malenden, seine eigene Lösung zu finden.

Ein möglicher Beispieldialog wäre:

K: „Mal mir eine Katze, ich kann das nicht!“

E: „Was hat denn eine Katze alles?“

K: „Einen Kopf!“

E: „Dann fang mit dem Kopf an!“

Technische Hinweise sind nicht sinnvoll. Sowohl die Darstellung von Figuren, als auch die Perspektive sind Entwicklungsvorgänge, die vollständig durchlaufen werden müssen, damit ein Kind sie wirklich verinnerlicht. Genauso wie man Kinder mittlerweile nicht mehr auf die Füße stellt, wenn diese eigentlich krabbeln wollen und können, sollten sie auch beim Malen die Gelegenheit zur Entwicklung im eigenen Tempo erhalten.

Wie kann das Gespräch ablaufen?

Auf inhaltliche Aspekte darf durchaus eingegangen werden. Malt ein Kind beispielsweise ein Haus ohne Tür, so kann man mit einer offenen Frage darauf reagieren. „Hat das Haus keine Tür?“ Das bietet die Möglichkeit einer Erklärung, wenn sich die Tür beispielsweise auf der anderen Seite des Hauses befindet. Vielleicht wurde sie aber auch nur vergessen und kann mit diesem Hinweis noch eingefügt werden.

Sogenannte Setzungen motivieren zusätzlich:  „Das macht dir Spaß!“.
Stockt der Malprozess kann auch nachgefragt werden „Wie geht es weiter?“, „Was fehlt noch?“ oder auch „Kannst du das Bild so lassen?“.
Gerade bei kleinen Kindern kann es auch notwendig sein, zu fragen, ob das Bild jetzt fertig ist und sie ein neues Blatt möchten. Ganz wichtig ist immer, dass das Sprechen über die Bilder echtes Interesse und Anerkennung zeigt. Denn nichts ist schlimmer, als ein pflichtbewusst dahingesagtes Lob.

Sonnige Traurigtage von Schirin Homeier

Depressionen! Ein sehr schwieriges und heikles Thema wird hier kindgerecht und behutsam und doch umfassend dargestellt. Sonnige Traurigtage erzählt von Mona und Mona-Mama und den sonnigen und traurigen Tagen. Die traurigen Tage, an denen Mona-Mama so depressiv ist, dass sie sich nicht mehr um Mona kümmern kann. Mona versucht, mit allerlei kindlichen Lösungsansätzen, ihre Mama wieder gesund zu machen. Mit der Unterstützung von Monas Lehrerin gelingt es, Mona-Mama davon zu überzeugen, dass sie ärztliche Hilfe braucht und diese auch in Anspruch nimmt.

Monas Ängste und Bemühungen werden ganz liebevoll dargestellt und die Personen, die ihr im Buch helfen, erklären die Hintergründe psychischer Krankheiten. Ganz stark wird auf den Aspekt eingegangen, dass sich die Kinder Betroffener, die Schuld an der Erkrankung ihrer Eltern geben. Mona erfährt zu ihrer Erleichterung, dass nicht sie Mamas Traurigkeit verursacht hat und sie ihr auch nicht beim Gesundwerden helfen kann.

Ergänzt wird die Geschichte um einige Seiten mit Erläuterungen für Erwachsene, die den Kindern psychisch kranker Eltern als Bezugspersonen zur Seite stehen.

Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose

Immer wieder wenn ich über das begleitete Malen erzähle, werde ich mit Vorstellungen davon, wie Kunsttherapie sein müsse, konfrontiert. Nun gibt es in der Tat recht unterschiedliche Richtungen in der Kunsttherapie, einige setzen sehr stark auf Symbolismen und Farbpsychologie. Ich selbst kann nur für das begleitete Malen nach Bettina Egger sprechen, deshalb beziehen sich alle nachfolgenden Erläuterungen ausschließlich darauf.

Die Bedeutung der Farben:
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Im begleiteten Malen wird den einzelnen Farben keine symbolische Bedeutung beigemessen. Die Farben werden in den Bildern so verwendet, wie sie in der Wirklichkeit auftreten. Schwarz ist Schwarz, weil damit irgendetwas Dunkles gemalt wird und nicht Symbol für depressive Gedanken. Es kann ein Bild in der Nacht spielen, dann ist der Himmel Schwarz oder Dunkelblau, weil Nacht ist. Das muss nicht bedrohlich sein. Rot ist Rot, die Farbe einer roten Blume oder eines roten Pullovers, kein Symbol für Aggressivität.

Die Bedeutung der Motive:

Im begleiteten Malen werden Metaphern gemalt. Metaphern erzählen eine Geschichte, die für den Malenden eine ganz individuelle Bedeutung hat. Diese Geschichte ist sehr persönlich und berührend und bewirkt dadurch eine Veränderung. Die Bilder werden gegenständlich, realistisch gemalt. Will der Malende beispielsweise Kraft schöpfen, so kann eine Situation gemalt werden, in der das Gefühl „ganz viel Kraft haben“ da war.

Nicht immer ganz einfach von den Metaphern abzugrenzen sind Symbole. Symbole sind allgemein anerkannte Darstellungen, z.B. ein Herz als Symbol für Liebe. Symbole zu malen ist, nach Bettina Egger, wirkungslos, weil uns ein Symbol nicht wirklich berührt. Symbole können jedoch im Lauf des Malens zu Metaphern werden, wenn beispielsweise das Herz ein konkreter Gegenstand wird, ein Sofakissen in Herzform oder ein Anhänger. Gibt es dazu dann noch eine Geschichte, kann das Bild wirken.

Auch hier wird immer wieder deutlich, wie stark es doch allgemein akzeptierte Vorstellungen gibt, was etwas zu bedeuten habe. Im begleiteten Malen wird diese symbolische Bedeutung ganz bewusst in Frage gestellt und zu einem neuen, tiefergehenden Sinn geführt.

Eine Mauer ist eine Mauer!

Bei meinem Kollegen Raimund von Schwangerschaftserlebnis-Blog fand ich einen Artikel, in dem er eine Erfahrung mit Malen beschreibt. Ich stelle mir jetzt vor, ein solches Bild zu begleiten und daran zu erläutern, was es genau bedeutet, ein Bild zu klären.

‚Die Zeichenstifte ließen eine Mauer auf dem Papier entstehen, und davor ein Baum. Es gab noch ein paar Luftballons und fertig.‘

Hier setzt die Klärung an – ist das Bild so wirklich fertig? Was für eine Mauer ist das? Gehört die zu einem Gebäude? Ist es eine Gartenmauer? Hast Du sowas schonmal in echt gesehen? Und was hat es mit den Luftballons auf sich? Wo kommen die her? Gibt es dazu eine Geschichte? Möchtest Du mir die erzählen?

Sehr wahrscheinlich nimmt dieses Bild ab hier schon einen ganz anderen Verlauf, aber ich nehme jetzt mal die ursprüngliche Aussage:

‚ Natürlich war mir sofort klar, dass diese Mauer ein Hindernis in meinem Leben darstellen sollte und dass ich unbedingt und sofort drüber weg musste.‘

Mauer
Eine Mauer ist eine Mauer!

Die Mauer wird als Symbol für ein Hindernis betrachtet. Wir sind es gewohnt Darstellungen symbolisch anzuschauen. Im begleiteten Malen ist eine Mauer eine Mauer. Alle Möglichkeiten sind offen. Begibt sich mein Malender auf diese symbolische Ebene, ist es meine Aufgabe, ihn an das Bild zurückzuholen, weg von der als allgemeingültig betrachteten Interpretation ‚Hindernis‘. Dabei handelt es sich um das, was die Gestalttherapie als ‚Introjektion‘ bezeichnet, das ungeprüfte Übernehmen von Normen und Vorstellungen. Am nächsten Morgen kommt Raimund zu genau dieser Erkenntnis:

‚Beide Gedanken waren für mich völlig überraschend. Und sehr interessant! Klar, das Bild zeigte einfach eine Mauer. Wieso hatte ich sofort die Idee, über sie hinweg zu kommen? Ist es nicht erstaunlich, wie leicht man einer Annahme folgt ohne zu überprüfen, ob sie überhaupt stimmt? Ich hatte angenommen, dass diese Mauer ein Hindernis symbolisierte – ja, und warum nicht. Aber warum sollte es ein Hindernis sein, das vor mir lag und nicht eines, das ich endlich hinter mir hatte?
Als ich am nächsten morgen aufwachte, hatte ich sofort und als allererstes zwei Gedanken, die glasklar vor mir standen:
1. Jede Mauer hat irgendwo ein Tor – warum also gehst du da nicht entlang bis du dieses Tor gefunden hast?
2. Wer sagt, dass du da rein willst? Vielleicht warst du endlich draußen?‘

Wäre dieses Malen begleitet gewesen, wäre genau das schon viel früher, in der Arbeit am Bild eingetreten. Welche Geschichte uns die Mauer dann wohl noch erzählt hätte?

Atelierregeln für Erwachsene

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Auch für Erwachsene gelten im begleiteten Malen Regeln. Diese betreffen aber mehr das Malen selbst, wie wird das Bild gestaltet, was ist zu beachten.

Selbstverständlich gilt auch bei den Erwachsenen, dass die Bilder der anderen nicht bewertet werden.

Erwachsene dürfen auf Wunsch mit den Fingern malen, dadurch entsteht ein größerer Kontakt zum Bild.

Die wichtigsten Regeln:

Deckend Malen

(Dadurch werden Zufallseffekte ausgeschlossen und das größte Maß an Selbstbestimmung ist möglich)

Das ganze Papier wird mit Farbe bedeckt

(Das Papier ist nur der Bildträger, kein Bestandteil des Bildes – in der Natur gibt es auch keine Löcher.)

Gestalte von innen nach außen, ohne Konturen vorzuzeichnen

Gestalte auch die Umgebung auf deinem Bild

Und als allerwichtigstes:

Das Bild muss werden, was es werden will!

Atelierregeln für Kinder

Beim begleiteten Malen gibt es für Kinder einige Regeln, die zu beachten sind. Sie erleichtern das Miteinander und stellen sicher, dass das Material sorgsam behandelt wird.

  • Du darfst malen, was du willst und wie Du kannst!
  • Niemand bewertet die anderen Bilder!kindermalen
  • Zu jeder Farbe gehören 2 Pinsel und ein Wassernapf. Ist eine andere Farbe an den Pinsel gekommen, wird er erst im Wasser gewaschen, bevor er wieder in die Farbe darf.
  • Streiche mit dem Pinsel behutsam übers Papier, die Farbe ist in den Haaren und nicht am Stiel!
  • Wenn Du wütend bist, kann der Pinsel nichts dafür – sag es mir, wir finden eine Lösung!
  • Andere Kinder werden nicht mit Farbe bespritzt oder angemalt!
  • Es darf nicht zu laut sein!

Auch wenn die Kinder frei malen dürfen, also ohne Themenvorgabe, gelten für sie im Atelier doch einige Regeln. Kinder malen normalerweise mit dem Pinsel, im Gegensatz zu den Erwachsenen, bei denen malen mit den Händen erwünscht ist.

Jede Farbe hat eigene Pinsel, damit sich die Farben nicht miteinander zu einem schmutzigen Braun vermischen. Die Farben kommen so in voller Leuchtkraft aufs Papier. Der Pinsel wird nur im Wasser gereinigt, wenn er auf dem Bild eine andere Farbe abbekommen hat.

Die Kinder geniessen das Malen mit den Flüssigfarben und den weichen Pinseln, die trotzdem eine klar ausgeformte Spitze haben sehr. Immer wieder stellen sie begeistert fest, dass es ganz anders ist als das Wasserfarben malen in der Schule.

Am Anfang fällt es ihnen noch schwer, die Bilder der Anderen nicht zu bewerten. Doch schon nach kurzer Zeit wissen sie diese Regel zu schätzen. Sie können sich ihren eigenen Themen widmen und erfahren Wertschätzung. Ganz unabhängig vom begleiteten Malen lässt sich diese Regel überall dort einsetzen, wo Kinder frei malen können – in der Familie, einer Gruppe oder in der offenen Kinder- und Jugendarbeit.